20. November 2024

Zeichensysteme und kulturelle Klischees

Die Wildnis, ein soziokulturelles Konzept, ist unter anderem das Ergebnis „bürgerlicher Naturanbetung“, durch welche das „Naturerlebnis zum Gebrauchsgut“ wurde. Ein Phänomen, das nicht aus der alten agrarischen Welt kam, denn deren Bevölkerung hatte grundlegend andere Zugänge zu Landschaften und zur Natur. So der Ethnologe Orvar Löfgren.

Er hat auch darauf hingewiesen, daß Hochgebirge und Meer bevorzugte Motive solcher Begeisterungen wurden. Die Natur als Wildnis, der Wald, das Meer, mit diesen Sujets bin ich gerade in einigen unserer Projekte befaßt.



Von links: José María Obeso, Stefan Oser und Richard Mayr.

So geht es um zwei Arten von Wildnis als konzeptionellem Auftakt unserer Dezember-Session im Verlagsbüro der Edition Keiper: „An solchen Tagen“ (16.12.2024) Die gewachsene und die gebaute Wildnis.

Dabei werden Fotograf Richard Mayr und ich mit den beiden Gitarristen José María Obeso und Stefan Oser in Dialog treten. So kommt ein weiterer Kontrast ins Spiel, nämlich deren Vertrautheit mit Mexiko und mit Brasilien. Das Urbane, das Rurale, die enormen Dimensionen...

In einem anderen unserer aktuellen Projekte geht es metaphorisch um das Meer; ausgehend von einem Gedicht der Ingeborg Bachmann, aber auch aus privaten biografischen Motiven. Dabei bearbeiten wir zentral eine feministische Themenstellung: „Am Meer“ (Eine feministische Ausstellung)



Aktion im Gleisdorfer Kaufhaus Mörath.

Zu dieser komplexen Erzählung befasse ich mich im Hintergrund unter anderem mit einer sehr speziellen Variation des Themas Wildnis, nämlich mit der realen Bedrohung durch Gewalttätigkeit in unserem Land: „Österreichs Guerilla“.

Einen weiteren Bezug zum Wildnis-Komplex sehe ich in einem kulturellen Sterotyp, der Schwärmerei für den „edlen Wilden“. Das Klischee des „unverdorbenen Naturmenschen“, wie es auch in den Social Media laufend auftaucht. Da werden uns Bilder etwa von Indianern oder Indern mit „Weisheiten“ und Zivilisationskritik aufgedrängt.

Zum romantischen Genre „edler Wilder“ sehe ich im Alltag heute ein interessantes Derivat. Noch vor etwa 50 Jahren sind sichtbar tätowierte Menschen in meiner Umgebung eine Rarität gewesen. Außerhalb von lebendigen Subkulturen wurde das Tattoo häufig mit Matrosen, Legionären, Ex-Häftlingen und Huren assoziiert. Solche Stereotypen und Ressentiments haben sich über die Jahrzehnte verschoben.



Radikale Codierung eines Körpers.

Dabei spielte die Popkultur eine wirkmächtige Rolle, welche ihre diesbezüglichen Erzählungen aus ganz verschiedenen Milieus bezog. Das reichte vom Motorrad-Outlaw über allerhand Variationen auch zu jenem des „edlen Wilden“. Heute sind dagegen selbst sehr umfangreich tätowierte Menschen eine alltägliche Erscheinung oder zumindest keine Sensation mehr.

Das zeigt sich auch in der Oststeiermark sehr präsent. Ich sehe diese Codierung von Körpern gleichermaßen als ein Phänomen der Volkskultur und der Popkultur. Dem gehe ich im Teilprojekt „Tattoo” (Ein kulturelles Zeichensystem) nach.


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