27. Oktober 2024

Werbung und Propaganda


Der aktuelle Wahlkampf führt mir besonders vor Augen, welches soziokulturelle Problem wir auch im Alltag allemal erleben. Wo Menschen Interessen haben, neigen sie auf begreifliche Art dazu, sich und diese Interessen möglichst günstig darzustellen.

Wir werden über alle denkbaren Kanäle, durch die wir erreichbar erscheinen, mit Werbung und mit Propaganda bespielt. Warum erwähne ich gerade diese zwei Kategorien? Ist das nicht einerlei?

Werbung möchte mir Produkte, Güter oder Dienstleistungen schmackhaft machen. Propaganda zielt auf mein Denken, auf meine Ansichten, auf mein Verhalten. (In manchen Aspekten sind beide Genres gut miteinander verzahnt.)

Ich nehme an, es gibt einen sehr breiten gesellschaftlichen Konsens, daß diese Genres und Strategiepakete legitime Mittel sind, die angewandt werden dürfen. Für den Streitfall gibt es eine juristische Praxis, mittels derer zum Beispiel Betrug oder unethisches Verhalten geahndet werden können.


Wär's das? Alles okay?

Nun würde mich allerdings interessieren, welche Instanzen und Institutionen wir eingerichtet haben und angemessen stärken, um in unserer Gesellschaft dafür zur sorgen, daß Menschen unterscheiden können, was genau der Fall ist, was dem gegenüber Werbung, was Propaganda ist.

Ich verwende dabei bewußt nicht den Begriff Wahrheit, der mir im Reich von Philosophie und Theologie besser aufgehoben erscheint. Was wahr sei, hängt sehr von Lebensbedingungen und Interessenlagen der Menschen ab. Individuelle, womöglich auch selektive Wahrnehmung ist dabei nicht verhandelbar. Niemand verzichtet gerne auf Deutungshoheit.

Aber es müßte aufgrund von untersuchten Fakten durchaus möglich sein, zu klären, was in einer bestimmten Frage der Fall ist. Wo üben wir das? Wer unterstützt und bestärkt uns darin? Dem Bildungswesen traue ich das derzeit nicht zu.

Laut Arbeiterkammer Nachhilfebarometer (4.6.2024) braucht hierzulande jedes zweite Kind Unterstützung. Genauer: „Knapp ein Drittel (30 Prozent) der Eltern helfen praktisch täglich; fast jedes zweite befragte Elternteil (44 Prozent) zumindest einmal in der Woche und bei weiteren 10 Prozent trifft dies zumindest gelegentlich zu.“ [Quelle]

Vieles wird privat geleistet, manches gegen Bezahlung von Profis. Laut IFES zum Beispiel: „In etwa jedes sechste Schulkind in Österreich (17 %) hat im Schuljahr 2022/2023 bezahlte Nachhilfe oder Lernhilfe in Anspruch genommen...“ [Quelle]

Ich verzichte auf die Recherche weiterer Zahlen. Das Defizit und die Kompetenzprobleme sind in dieser Branche offenkundig. Dieser Berufszweig kann sich anscheinend schon eine Weile nicht einmal selbst retten. Vor dort wird so bald wohl keine Hilfe bezüglich Medienkompetenz und zeitgemäßer Kulturtechniken kommen.

Woher dann? Wirtschaft und Politik nutzen Werbung und Propaganda ganz essenziell. Und? Naja, die Kulturpolitik könnte im Wechselspiel mit Kunst- und Kulturschaffenden da sehr vorteilhaft wirksam werden. Wollen wir das? Nämlich wir, die primären Kräfte des Kunst- und Kulturschaffens. Ich weiß es nicht, aber ich wüßte das gerne.

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