25. August 2024

Von solchen Obsessionen


Die erste Tageshälfte rundet sich und die Hitze kriecht unters Dach, um sich in meinem Büro breit zu machen. Nach Mittag werde ich den Aviator treffen. Bruce Pedersen erwartet mich auf einem regionalen Flugfeld. Da werde ich mich vielleicht hinter ein Flugzeug stellen können, dessen Propeller etwas von dem Wind entfacht, zu dem sich die Natur grade nicht aufraffen mag.

Es wäre das Gegenteil von dem, was im Englischen mit dem phonetisch schönen Wort Slipstream bezeichnet wird. Der Windschatten. Ich hab noch immer keine physikalisch gewichtet Erklärung bekommen können, warum sich ein Luftstrom kühl anfühlt. (Es muß mit dem Zustand der Moleküle zu tun haben.)



Anita Keiper und Robert Fimbinger.

Aber ich hab grade an ganz anderen Dingen zu schrauben. Unser letzter Besuch in der Edition Keiper hat klar gemacht: das Buch ist inzwischen gedruckt, die Seiten müssen nun etwas liegen, bevor sie weiterverarbeitet werden können, damit die Farbe verläßlich durchtrocknet.

Wir haben jüngst rund einen halben Tag mit Kammerschauspieler Franz R. Wagner verbracht, um uns für die Archipel-Premiere am 19.9.24 abzustimmen. Das war in einige Erörterungen eingebettet, die unter anderem auch von jenen Obsessionen handelten, welche ich als Fundament eines Lebens in der Kunst sehe. Wagner schrieb dazu tags darauf: „Wir haben jetzt ein WARUM zum Leben, also können wir auch jedes WIE ertragen, find ich.“



Franz R. Wagner (links) und Richard Mayr.

Das halte ich für sehr wesentlich, wo man verstehen möchte, was dieses Obsessive ist. Es rührt an eine meiner Lieblingsannahmen: Was auch immer innerhalb der Conditio humana möglich ist, irgendwer macht es. Damit meine ich das gesamte Spektrum, vom Erhebenden bis zu den düstersten Grausamkeiten.

Es wäre müßig, darüber zu lamentieren, daß es so ist. Man kann unsere Spezies nicht unter Kontrolle bringen. Stets manifestiert sich alles, wozu wir in der Lage sind. Das betont freilich die besondere Möglichkeit des Augenmerks und der Achtsamkeit innerhalb von Nischen.

Wir haben so eine Nische errichtet. Noch einmal Wagner: „Erfolg ist ja nicht nur ein vielleicht materielles Ergebnis, sondern eher die Art und Weise, wie wir leben.“ Es macht dann eben einen radikalen Unterschied, ob man solche Ansichten aus seinem eigenen leben herausschält oder ob man sich aus einer Flut von Kalenderblättern ein passendes Konvolut zusammenstellt.



Richard Mayr und Heinz Payer (rechts).

Ich debattiere diese Dinge längst nicht mehr mit Menschen, die ihren Fokus ganz woanders haben. Mein Fazit: Same species, another tribe. Es werden bei anderen Stämmen eben keine universellen Arten von Kultur gepflegt, sondern deren eigene.

Wenn dort eine Art dominiert, die ich für kollektive Sprücheklopferei halten mußt, dann ist das eben so. In einer Demokratie darf man ja sogar sein Leben vergeuden und das für eine vertretbare Position halten. Um Autor Alfred Paul Schmidt und seinen ersten Lehrsatz des steirischen Buddhismus zu zitieren: „Mir wurscht!“

Ich habe ja selbst keinerlei Botschaft für die Welt vorrätig. Mir sind zu viele eitle Sätzchen untergekommen, in denen behauptet wird, was die Kunst alles können solle und müsse. Ich glaube daran nicht. Als Autor bin ich keinesfalls mir dem Belehren, sondern mit dem Beschreiben ausgelastet.



Luis Siegl aka Teglich Alois (links) und Richard Mayr

„Wahrheit“ überlasse ich als eine interessante Kategorie anderen Metiers. Theologie und Philosophie sind da von großen Traditionen bestimmt. Ich halte auch nichts vom Konzept der „Berufung“. In der Kunst zu leben, das ist eine Obsession.

Die kann man ernst nehmen und dann seine Möglichkeiten konsequent verfeinern. Um es mit Markus Lüpertz zu sagen, es ist ein Ringen um Qualität und Vollendung. (Das allfällige Erreichen halte ich dabei für kein spannendes Thema.)

+) Die Premiere


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