18. August 2024

Allerhand Zonen


Vor etwas mehr als hundert Jahren setzten sich die sogenannten „Niederräder“ durch. Handliche Fahrräder mit „Diamantrahmen“, wie wir sie heute kennen. Das war ein enormer Technologiesprung gegenüber den vorangegangenen Hochrädern mit ihrer Sturzgefahr auf den schlechten Wegen. So kam ein neuer Fahrzeugtypus ins Verkehrsgeschehen, auch ein neues Tempo.

Die „Fußkutscher“, all die „Velozipedisten“ sorgten in den Städten oft für Kollisionen und trugen bei, das Fußvolk in den Straßen zur Seite zu drängen. Heute höre ich Klagen von den „Autlern“, daß sie mit rücksichtslosen Leuten auf Fahrrädern Probleme hätten. „Die machen, was sie wollen“ und würden sich an keine Regeln halten.



Meilenstein der europäischen Volksmotorisierung: Fiat 600 downtown Gleisdorf.

Ich bin am Gleisdorfer Florianiplatz zuhause. Da sind auf der Ostseite Gehsteig und Fahrradweg eins, damit der Autoverkehr genug Raum hat. Vom Süden nach dem Norden verlaufen drei Fahrbahnen sowie ein Streifen zum Längsparken und einer zum Querparken.

Das ist für sich schon eine knifflige Anordnung. Dazu kommt das alte Phänomen aus dem vorigen Jahrhundert: Automobile sind beweglicher Privatraum im statischen öffentlichen Raum. Da wir Menschen in privaten wie öffentlichen Räumen unterschiedliche Verhaltenskonzepte pflegen, kann diese Kombination für soziale Konfusionen sorgen. Das läßt bei manchen Menschen die Gewaltbereitschaft hochgehen.



Üppiges Rettungsfahrzeug für den besonderen Notfall: Steyr Pandur Radpanzer.

Gleisdorfs Verläufe im Übergang von Florianiplatz zum Hauptplatz bieten dazu allerhand Gelegenheiten. Außerdem stülpt sich der Hauptplatz über den Kirchriegel aus. Auf dem gab es, wenn ich mich recht erinnere, einen Kinderspielplatz, der längst verschwunden ist, um anderen Funktionen Platz zu machen.

Dafür entschädigt ein System hoher Treppen mit Wasserspielen die Kinder eventuell, geht in den Marktplatz über, auf dem es eine Brunnenanlage gibt. Die macht den Kindern sommers ein enormes Vergnügen, aber es ist eben alles harter, versiegelter Boden.



Das steinerne Bächlein am Gleisdorfer Kirchriegel.

Ich sitze dort oft, im Schatten eines Baumes, lesend auf den Stufen, wenn mich die Tageshitze aus meinem Büro unterm Dach vertrieben hat. Ich genieße den Kindertrubel um mich, diese Lebensfreude, wie sie aus den Kindern beim Spielen herausschreit.

Ich erlebe zuweilen, daß Elternteile ein Kind ermahnen leiser zu sein. „Warum?“ frage ich laut, wenn es nahe genug geschieht. Es ist der Hauptplatz. Ich mag die Vorstellung, daß er – als öffentlicher Raum – den Kindern ebenso gehört wie uns allen. (Sie sind noch längst nicht das Lauteste, was ich – unterm Baum sitzend – dort erlebe.)



Der Marktplatz am Hauptplatz, ein Teilzeitkinderspielplatz.

Kinderspielplatz. Diese Thema hat mir Künstler Heinz Payer zugeworfen, als ich überlegte, wo wir mit dem Projekt „Official Bootleg“ inhaltlich weitermachen könnten, während ich grade das Thema Allmende im Auge hatte. Allgemeingut, „Gmoan“, öffentlicher Raum, Kinderspielplätze...

Das ist ein gleichermaßen soziales wie politisches Themenbündel, denn der öffentliche Raum ist ein grundlegender Bestandteil einer Res publica. Und die Republik ist das politische Haus, in dem die Demokratie wohnt. Ich konstatiere: eine gefährdete Art!

+) Official Bootleg
+) Florianiplatz, Gleisdorf


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