10. August 2024

Nähe und Distanz


Einige Stunden am Schelchenberg. Das ist keine alpinistische Sache, sondern der Besuch eines Hügels voller Gastlichkeit und mehrheitlich eher exklusiver Automobile. Ein Wiesmann Roadster, zwei Morgans, ein Bristol, ein Lambo Urus („das erste Super Sport Utility Vehicle der Welt“), ein Custoca Hurrycane, solche Sachen; plus eine Menge noble Distanz zum Geld.

Daher aber auch Mythenkram. Distinktionsmaschinen. Dazwischen fette Prothetik, um die eigene Silhouette zu vergrößern. Mittendrin ein Ferrari SF 90 Stradale, von dem die Kommentare besagen, er habe tausend PS Motorleistung abrufbar.


Das wird schon so sein. Aber man kann es nicht sehen. (Wie auch? Wie sehen tausend PS aus?) Gut, der Rote wirkt schon schnell, wenn er bloß herumsteht. Es ist ein Plug in-Hybrid, also die Art von Automobil, über das allerhand Puristen heute gerne die Nase rümpfen.

Ich erlebte in der Hütte ferner, daß sich ein Stutzer, den ich in einem Seat oder Skoda vermuten würde, laut darüber ausließ, ein Ferrari sei in Gelb vollkommen unansehnlich. So oder so, es geht um große Gesten, geht auch um Posen und manche Gäste sind nicht gerade leise, wenn sie erkennbar Blödsinn reden.



Ferrari SF 90 Stradale

Währenddessen zeigt sich im Hintergrund dieser Tage noch all jener kummervolle Unmut darüber, daß Taylor Swift wegen einer Terrordrohung nicht bloß ihre Österreich-Konzerte abgesagt hat, die Frau schweigt bis heute zu diesem Ereignis. (Ich vermute dahinter professionelle Medienpolitik.) Das sorgt für allerhand Empörung hier, Trauer da.

Was mag das im Leib mancher Menschen sein, daß sie sich an der Vorstellung erfreuen, große Gewalttätigkeiten entfesseln zu können? Ich hab noch immer diesen Klang aus vergessener Quelle in mir: „Nichts schändet die Seele so sehr wie das Töten.“

Ich muß mir Shakespeare's „Richard III“ wieder einmal ansehen. Vermutlich finde ich das Zitat dort. „Coriolanus“ wird’s nicht gewesen sein, weil der ein Profi im Töten ist. Aber wer weiß? Zumal bei Shakespeare.


Ich kreise da noch um eine Schrecken, der mich beschäftigt, vermeide es, das auf den Punkt zu bringen. Überdies wurden an diesem Sonntag Nachmittag jegliche Aufmerksamkeit und Emotionen in eine Tagestemperatur von 32 Grad gehüllt. Da sage ich mir, daß ich nach Mitternacht besser werde denken können.

Ich vermute gehabten Schrecken als ein Gift im Leib, das so enorme Gewaltbereitschaft fördert. Offenbar hat das auch mildere Varianten, die sich dann in gewöhnlichen Begegnungen äußern. Ich denke, die führen zu Mißtrauen und zu einem erhöhten Schutzbedürfnis, das dann zwischen Menschen steht wie eine Wand.


Aber was kann ich darüber wissen? Und wie sollte man es an sich selbst genauer feststellen können? Mythenkram. Distinktionsmaschinen. Dazwischen fette Prothetik, um die eigene Silhouette zu vergrößern. Auch hier. Solche Sachen. Es scheint mir, das sind Ausstattungen, um uns zu verbergen. Selbst das Extrovertierte ist vielleicht kaum mehr als eine Art Schutzmantel.

Ich empfinde Ratlosigkeit freilich immer wieder als einen wunderbaren Zustand. Das dürfte nicht alles sein, aber es ist eine gelegentliche Wohltat. Dazu hat sich ein Satz für mich zum Mantra ausgeformt: „Ich muß das nicht verstehn.“

Das ist die milde Version. Jene, die sich auch von Unmut nährt, lautet: „Dazu fällt mir gar nichts ein!“ So oder so sind das „Distanzscheiben“, die ich zwischen mich und so manche Situation schiebe. Weshalb? Weil ich der Grobheiten müde bin und auch meinerseits nicht mehr zuschlagen will. Egal, wie man es dreht und an welchem Ende des Armes man steht, es ist zu unerfreulich...

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