12. Juli 2024

Holpernde Selbstachtung


Wie verlockend, auf den Lauf der Dinge mit Groll zu reagieren, wo uns so vieles an unerfreulichen Informationen von überall her erreicht. Natürlich ist das zugleich eine Falle. Auch ein Feld für Strategien,

„Flood the zone with shit!“ Ist Ihnen diese Phrase geläufig? Sie wird Steve Bannon zugeschrieben. (Der war Berater von Donald Trump.) Ein Mann, welcher für sein politisches Engagement eben erst Knast ausgefaßt hat.



Meine Sektion hat immer Dienst.

Was der Mann meinte und uns demonstriert hat, ist die Möglichkeit, das Denken von Menschen mit Ramsch zuzuscheißen. So korrumpiert man das Gemeinwesen. Das hat allerhand Varianten von Komplexitätsreduktion zur Folge. Es weht nun auch über Europa längst diese grelle Flagge, deren Stickerei einen Schriftzug zeigt: „Endlich nicht mehr grübeln!“

Ich finde das übrigens längst auch unter Menschen, die sich zu den „gebildeten Kreisen“ zählen. Ein - nach Tagesaktualität - wechselnde Katalog von exponierten Persönlichkeiten der Politik kann ohne viel Nachdenken durchdekliniert werden. Dabei sind dann emotionale Momente üblich, auch explizite Verwünschungen: „Dieser scheiß Xxxx!“



Kommentar überflüssig! (Quelle: ORF)

Dazu passen jederzeit auch bewährte Ressentiments wie die Ansicht meines Vaters, daß „neunzig Prozent der Menschheit sowieso Idioten“ seien. Ich finde es bemerkenswert, daß sich etwa ein erfahrene Publizist einerseits auf Paul Lendvai und Barbara Coudenhove-Kalergi als seine „Lehrmeister“ beruft, dann aber andrerseits vom ORF zitiert werden kann, wie er mutmaßt, die Menschheit bestünde aus Idioten, von „ein paar Kreativen“ abgesehen.

Ich finde diesen brüllenden Mangel an intellektueller Selbstachtung entsetzlich. Er funktioniert als Einladung, den Boulevard beliebig zu verbreitern und redlichen Diskurs in den Graben zu schieben.



Haben wir so viele doofe Kinder? Glaub ich nicht!

Offenbar können immer weniger Menschen solcher Geschwätzigkeit widerstehen und schließen sich den Legionen von Simplifizierer an. Ich nehme das zur Kenntnis. Sich darüber zu ereifern ist völlig nutzlos. Wir haben derzeit offenbar bloß die Freiheit, es in Nischen, für die wir sorgen, anders zu halten.

Wer also braucht hierzulande Trump oder Bannon, wo wir - mindestens die Grundlagen betreffend - alles haben, was solche Verhältnisse verlangen? Ich meine diese zunehmende Korruption des Denkens, in der Handlungen immer schwerer beurteilbar werden; was nämlich die Konsequenzen angeht. Ein Beispiel.

Einerseits ist nun zwar das Getöse rund um Ministerin Leonore Gewessler verstummt. Doch nach all dem Gezänk bin ich von den politischen Kräften immer noch nicht klar informiert worden, was genau der Tatbestand sei, der ihr eben noch lautstark vorgeworfen wurde, und welcher Gesetzestext diesen Vorwurf legitimiert.


Vox populi: ein Festival. (Quelle: Facebook)

Andrerseits muß ich lesen, daß Lena Schilling, kürzlich noch EU-Spitzenkandidatin der Grünen, öffentlich gelogen hat, um ihre Interessen voranzubringen. Sie habe sich nun „in Form einer notariell beglaubigten Unterlassungserklärung bei ORF-Moderator Martin Thür entschuldigt.“ Sie sei mit dem ORF-Journalisten Martin Thür weder persönlich noch digital bekannt. Dennoch habe sie gegenüber Dritten den falschen Eindruck erweckt, „ich hätte mit Martin Thür ein Verhältnis gehabt.“ [Quelle] (Ein virtuelles sich nach oben Schlafen?)

Was mir dazu einfällt? Na wenigstens ein „Danke für nichts!“ Wenn politisches Personal und Profis der Vierten Macht im Staat solche Allüren zeigen können, wird man sich in den Reihen jener Neuen Rechten vergnügt auf die Schenkel klopfen, also im Kreis jener Leute, welche sich seit den 1980er Jahren durchaus effizient bemühen, die liberale Demokratie gegen die Wand zu fahren.

+) Politik


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