Ich bestaune manchmal die vielfältigen
Artern der Sedimente, wo ich einige meiner
Archivalien sehr lange nicht gebraucht und
angefaßt hab. Zugleich kann ich Staub an den
Händen nicht leiden. Es scheint mir, als
würde er nach einer Weile die Poren des Haut
verstopfen. Sowas muß ich dann umgehend
beheben.
Der Schmutz des
Wissensgewinns sagt mir symbolisch zu, stört
mich physisch. Also geht es an solchen Tagen
um ein permanentes Wechselspiel zwischen
Papier, Staub und Wasser. Das ist ein großes
und schönes Thema, zu dem mir noch mehr
einfallen sollte: Papier, Staub und Wasser.
Und Wissen. Ich hatte gestern ein
ausführliches Gespräch mit Techniker Werner
Musil, dessen Biografie eng mit Steyr und
mit den Grazer Puchwerken verknüpft ist.
Fotograf Richard Mayr und ich beginnen ja,
an einer Video-Serie zu arbeiten, die
Aspekte unserer steirischen Mobilitäts- und
Technologiegeschichte behandeln wird.
Darunter viele Details, welche bisher noch
nicht dokumentiert wurden.
Dabei haben wir unter anderem über den
Stellenwert von Wissen gesprochen.
Informationen zu schaufeln hat ja noch
nichts mit Wissen zu tun.
Datenverarbeitung ist bloß eine der
möglichen Funktionen des Wissenserwerbs.
Das muß dann gedeutet werden.
Wir
kamen alle drei in den 1950er Jahren zur
Welt. Damals gab es eine Art soziales
Verspechen: Wer sich um Bildung bemüht,
wird seine Möglichkeiten verbessern
können, ein anderes Leben gewinnen. Das
scheint heute in vielen Daseins- und
Arbeitsbereichen keine Geltung mehr zu
haben.
Mehr noch, ich stelle
fest, daß Wissenserwerb vielfach als
Form der Verhaltensoriginalität gedeutet
wird. Wissenserwerb hat den Geruch des
Lächerlichen erhalten. Ich beklage das
nicht weiter, sondern konstatiere es
bloß. (Kulturpessimismus hielte ich für
eine sehr unerfreuliche Befindlichkeit.)
Aus den Kontroversen, die sich
daraus ergeben können, wenn Wissen gegen
„Gefühltes“ prallt, habe ich meine
„Theorie von den zwei Kontinenten“
bezogen. Ich denke dann und sage
manchmal: „Same species, another tribe“.
Wir gehören der gleichen Art, aber
verschiedenen Stämmen an, die sich auf
unterschiedlichen Kontinenten
eingerichtet haben.
Wenn wir die
Kontraste zwischen uns nicht ertragen
oder nicht überbrücken können, dann
müssen wir einander eben meiden. Ich
bleibe staunend, wie angriffslustig mir
Leute aus dem „anderen Stamm“ manchmal
begegnen. (Zugegeben, meine Contenance
erodiert imnzwischen.)
Es wäre
vergeudete Kraft, mit solchen Leuten in
Konflikte zu gehen. Es ist nicht meine
Aufgabe, ihnen etwas beizubringen.
Distanz ist ein guter Kompromiß.