Ich erfahre zwar gelegentlich von
pathologischen Menschen, die eine
unbezähmbare Grausamkeit in sich haben
sollen, aber das ist nicht repräsentativ. Im
Alltag habe ich es mit Leuten zu tun, die
sich in Kontroversen mehr oder weniger harte
Verfahrensweisen erlauben.
Ich staune
stets neu über Menschen aus meinem Metier,
denen es offenbar unmöglich ist, Dissens zu
ertragen. Kulturleute, die auf
Andersdenkende recht zügig losgehen müssen.
Warum eigentlich? Ich vermute vor allem
einmal: Spannungsabfuhr auf Kosten der
Mitmenschen.
Was ich nun revidieren
muß, ist meine Annahme, daß einen
künstlerische Potenz oder Arbeit im
Kulturbereich gegen solche Spielarten der
Menschenverachtung wappnen könnte.
Allerdings war mir ohnehin schon klar, daß
künstlerische Qualität keinen „guten
Menschen“ voraussetzt.
Angriffslust: Man könnte sich ja auf
Argumente zur Sache beschränken...
Dissens zu ertragen ist offenbar auch
bei gebildeten Leuten etwas aus der Mode
gekommen, darin unterscheiden sie sich
nicht mehr von den Hooligans. Spiralen.
Ich vermute, das alles handelt von
Spiralen, in denen die Wege zu dem stets
gleichen Ziel führen, wenn man sich
unterwegs nicht abzubiegen entschließt:
Haß, die untergehende Sonne der
Niedertracht.
Ich hab diese
Zusammenhänge grade in meiner Leiste
über den Rechtsruck im Kulturbetrieb in
Arbeit. Den aktuellen Bezugsspunkt
bilden heute ein paar Sätze, gegen die
man Einwände vorbringen könnte, anstatt
sie einfach vom Tisch zu wischen; siehe:
„
Rechtsruck:
Trolle und Konsorten, Echo“
Wenn ich mich frage, weshalb das nicht
klappt, sondern ansatzlos derart grob
verläuft, komme ich auf eine Ansicht des
streitbaren Michel Friedman:
„Die
Voraussetzung von Streitkultur ist, daß
man sich gegenseitig anerkennt.“'
Zugegeben, verkünden statt
begründen spart Mühe.
Das markiert für mich einen
wesentliche Aspekt, der offenbar in den
letzten Jahren verstärkt wirksam
geworden ist. Da ist wechselseitig etwas
erodiert. Da wurde quer durch die
Gesellschaft allerhand korrumpiert.
Ich hab 2020 nicht an die angebliche
„Spaltung der Gesellschaft“ geglaubt.
Wir waren doch davor schon eine
pluralistische Massengesellschaft, was
zwangsläufig von Lagerbildungen handelt;
zumal wir als Spezies seit dem
Neolithikum genau damit immer noch
Probleme haben; nämlich mit so großen
Gemeinschaften.
Deshalb das
strenge Gebot des Gewaltverzichts.
Deshalb die Notwendigkeit der Strategien
gegen Spiralen des Unmuts. Selbst
Europas Mythen erzählen uns von solchen
Problemen. Daedalus, der seinen Neffen
aus Eifersucht umzubringen versuchte.
Kain, der seinen Bruder aus Eifersucht
ermordete. Michel Friedman hat es so
formuliert:
„Der Haß ist immer
hungrig.“
+)
Kulturpolitik