Ich staune nach wie vor, daß die Frage nach
Kompetenzen in meinem Metier weitgehend
tabuisiert ist, muß das aber zur Kenntnis
nehmen. Es ist häufige Praxis, Kunst und
Kultur als Spielfelder einer
Distinktionsmaschine zu mißbrauchen; in
Korrespondenz mit der Ansicht des Soziologen
Gunnar Heinsohn:
„Um Brot wird
gebettelt, um Rang wird geschossen.“
Rang! Sozialprestige. Sichtbarkeit. Das
sind keine Kategorien der Kunst, wie auch
der Broterwerb eine soziale Kategorie ist.
Ich finde es ohnehin ganz normal, daß
etliche Kulturschaffende für sich auf die
Begriffe, die Kategorien und Kriterien
pfeifen, daß sie sozusagen im Freistil an
Rang zu gewinnen suchen. Das steht jedem
Menschen als Privatperson frei.
Doch
wer ins Licht der Öffentlichkeit tritt, muß
sich den Debatten stellen. Zumindest in
meiner Nähe. Was das Kunstvölkchen einer
Region generell bevorzugt, steht dagegen
nicht zu meiner Disposition. Zwei Konzepte,
zwei Kontinente. Das ist eben so...
Belesenheit wird heute gerne als
eine Art "elitäres Gehalmpel" bewertet.
Wir diskutieren diese Fragen im
„Archipel Gleisdorf“ schon eine Weile.
Nun hat Künstlerin Monika Lafer den Ball
aufgeworfen. Sie ist überdies Doktorin
der Geisteswissenschaften, also auch
aktive Kunsthistorikerin. Das heißt,
Lafer bearbeitet solche Fragen
systematisch.
Ich bin ein
gewesener Lehrbub, lebe seit den 1970er
Jahren in der Kunst, bin deshalb in
solchen Debatten eher ein „freier
Radikaler“. Ich bearbeite derlei Fragen
feuilletonistisch. Aber ich finde mich
durchaus manchen Usancen verpflichtet,
die in der akademischen Welt Standard
sind.
Es gibt nach meiner Meinung
eine Grundausstattung, die sich jeder
Mensch holen kann. Dazu muß man nicht
studiert haben. Ich meine Esprit und
intellektuelle Selbstachtung. Der Rest
ist Arbeit. Und die Genres?
Aus Susan Sontags Essay
"Notes on Camp"
Ich hab in der vorigen Notiz
erwähnt, daß wir Gegenwartskunst,
Kunsthandwerk und Voluntary Arts zu
unterscheiden haben. Seit dem Beginn der
Industriemoderne, als Produzenten
begannen, sich für das Produktdesign
nach Künstlern umzusehen, unterscheiden
wir in Europa zwischen Kunst und
Angewandter Kunst.
Das
korrespondiert mit Kategorien der
Antike: Freie Künste und Knechtische
Künste. Seit die Massenkultur über Pop
Art und andere Genres den alten
bürgerlichen Bildungskanon aufgebrochen
hat, befassen wir uns zwischendurch auch
ernsthaft mit Kitsch und Nippes.
Dabei haben sich Debatten ergeben, wie
etwa jene, den Susan Sontag 1964 mit
ihrem Essay „Notes on Camp“ ausgelöst
hat. Sie befaßte sich mit Formen von
Kitsch und Manierismus, die schon Angang
des 20. Jahrhunderts mit dem Begriff
Camp bezeichnet wurden: „ostentatious,
exaggerated, affected, theatrical...“
(Oxford English Dictionary). Sie merken
schon, das ist ambivalent, übrigens auch
für mich. Ich würde mir meinen Besitz an
Kitsch und Nippes von niemandem
schlechtreden lassen.
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Leben in der Kunst
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Archipel Gleisdorf