19. März 2024

Leben in der Kunst XV

Ich hab als aktiver Künstler ein reges Interesse an der Klärung von Begriffen und an der Debatte kulturpolitischer Fragen. Genau dieses Interesse und eine hinreichende Ernsthaftigkeit erwarte ich auch von Funktionstragenden in Stadt und Land, von Kräften der Kulturpolitik.

Wer diese Ambitionen aufgibt, folglich Kunst und Kultur zu Mägden des Marketings herabstuft, beschädigt das geistige Leben eines Gemeinwesens, belastet damit auch die Zukunftsfähigkeit einer Kommune.



Hart dahingeschrmmt zwischen Kunsthandwerk und Kitsch.

Ich staune nach wie vor, daß die Frage nach Kompetenzen in meinem Metier weitgehend tabuisiert ist, muß das aber zur Kenntnis nehmen. Es ist häufige Praxis, Kunst und Kultur als Spielfelder einer Distinktionsmaschine zu mißbrauchen; in Korrespondenz mit der Ansicht des Soziologen Gunnar Heinsohn: „Um Brot wird gebettelt, um Rang wird geschossen.“

Rang! Sozialprestige. Sichtbarkeit. Das sind keine Kategorien der Kunst, wie auch der Broterwerb eine soziale Kategorie ist. Ich finde es ohnehin ganz normal, daß etliche Kulturschaffende für sich auf die Begriffe, die Kategorien und Kriterien pfeifen, daß sie sozusagen im Freistil an Rang zu gewinnen suchen. Das steht jedem Menschen als Privatperson frei.

Doch wer ins Licht der Öffentlichkeit tritt, muß sich den Debatten stellen. Zumindest in meiner Nähe. Was das Kunstvölkchen einer Region generell bevorzugt, steht dagegen nicht zu meiner Disposition. Zwei Konzepte, zwei Kontinente. Das ist eben so...



Belesenheit wird heute gerne als eine Art "elitäres Gehalmpel" bewertet.

Wir diskutieren diese Fragen im „Archipel Gleisdorf“ schon eine Weile. Nun hat Künstlerin Monika Lafer den Ball aufgeworfen. Sie ist überdies Doktorin der Geisteswissenschaften, also auch aktive Kunsthistorikerin. Das heißt, Lafer bearbeitet solche Fragen systematisch.

Ich bin ein gewesener Lehrbub, lebe seit den 1970er Jahren in der Kunst, bin deshalb in solchen Debatten eher ein „freier Radikaler“. Ich bearbeite derlei Fragen feuilletonistisch. Aber ich finde mich durchaus manchen Usancen verpflichtet, die in der akademischen Welt Standard sind.

Es gibt nach meiner Meinung eine Grundausstattung, die sich jeder Mensch holen kann. Dazu muß man nicht studiert haben. Ich meine Esprit und intellektuelle Selbstachtung. Der Rest ist Arbeit. Und die Genres?



Aus Susan Sontags Essay "Notes on Camp"

Ich hab in der vorigen Notiz erwähnt, daß wir Gegenwartskunst, Kunsthandwerk und Voluntary Arts zu unterscheiden haben. Seit dem Beginn der Industriemoderne, als Produzenten begannen, sich für das Produktdesign nach Künstlern umzusehen, unterscheiden wir in Europa zwischen Kunst und Angewandter Kunst.

Das korrespondiert mit Kategorien der Antike: Freie Künste und Knechtische Künste. Seit die Massenkultur über Pop Art und andere Genres den alten bürgerlichen Bildungskanon aufgebrochen hat, befassen wir uns zwischendurch auch ernsthaft mit Kitsch und Nippes.

Dabei haben sich Debatten ergeben, wie etwa jene, den Susan Sontag 1964 mit ihrem Essay „Notes on Camp“ ausgelöst hat. Sie befaßte sich mit Formen von Kitsch und Manierismus, die schon Angang des 20. Jahrhunderts mit dem Begriff Camp bezeichnet wurden: „ostentatious, exaggerated, affected, theatrical...“ (Oxford English Dictionary). Sie merken schon, das ist ambivalent, übrigens auch für mich. Ich würde mir meinen Besitz an Kitsch und Nippes von niemandem schlechtreden lassen.

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