18. März 2024

Leben in der Kunst XIV

Wir sind uns im "Archipel Gleisdorf“ nun einig, daß ein Klärungsprozeß als Teil eines öffentlichen Diskurses in Gang kommen muß, um ein paar sehr diffuse Verhältnisse etwas zu ordnen. Ich hab inzwischen keinen Zweifel an der Tatsache, daß unser regionales Kulturgeschehen im Kern von zwei grundverschiedenen Konzepten bestimmt ist, die sich im Alltagsdiskurs kaum unterscheiden lassen.

Weshalb ist das so? Weil sich offenkundig ein markanter Teil des Kunstvölkchens weigert, über eine aktuelle Debatte einige zentrale Begriffe zu klären. Wir haben ein paar semantische Probleme. Wen meine ich mit Kunstvölkchen? Alle, die sich in der Region mit Kunst befassen, auch mit kulturellen Zusammenhängen.



Begriffe sind wie Bienen, können Wolhlschmeckendes liefern,
aber auch stechen. (Grafik: Heinz Payer
)

Wovon handelt Semantik? Vom Zusammenhang zwischen dem, was mit Worten bezeichnet wird, und dem Wort, mit dem man es bezeichnet. Zum Beispiel: Was ist der Zusammenhang zwischen dem Gegenstand, den wir Tisch nennen, und dem Wort Tisch?

Allerhand an Konfusionen, durch die wir so manche kulturpolitische Problemlage haben, kommt aus der Unschärfe, welche Genres wir salopp mit dem Wort Kunst belegen. Deshalb sollten wir wenigstens grob zwischen der Gegenwartskunst, dem Kunsthandwerk und den Voluntary Arts unterscheiden können.

Sonst kennt sich überhaupt niemand aus, worüber gesprochen wird. Wir können so auch nicht redlich verhandeln, wofür Ressourcen eingesetzt werden sollen, soweit sie vom Gemeinwesen aufgebracht werden. Privat können Sie ja gerne tun, was sie wollen, die Dinge benennen, wie es Ihnen gefällt. Aber im Gemeinwesen sind wir auf andere Standards angewiesen, sonst bliebe uns nur das Faustrecht.



Von wem wäre da die Rede? (Grafik: Heinz Payer)

Damit meine ich: Wir können Kriterien diskutieren und festlegen, Maßstäbe, welchen wir derzeit hohes Gewicht geben. Dazu können wir Diskursregeln vereinbaren, die verbindlich sind, bis sie in einem breiteren Konsens von anderen Diskursregeln abgelöst werden.

Oder wir akzeptieren ein „Recht des Stärkeren“. Dann setzt sich eben durch, wer am härtesten zuschlägt, respektive über die Machtmittel verfügt, das Verhalten anderer Menschen zu steuern.

Es gibt seit über zweitausend Jahren Regeln der Kunst, die schriftlich überliefert sind. Sie ändern sich freilich durch die Zeiten, sobald sie neu verhandelt werden. Was derzeit als breit anerkannt gilt, nennt man „kanonisiert“. Der aktuelle Kunstkanon ergibt sich aus den laufenden Debatten sehr verschiedener Kräfte.



Die Kunstbegriffe, eine ewige Baustelle. Was sonst?

Eine Beispiel. Gehen Sie davon aus, daß zu Lebzeiten Goethes nicht Goethe der populärste deutschsprachige Autor war. Freilich wissen wir heute nicht mehr, wer damals en vogue gewesen ist, außer wir studieren Publikationen jener Zeit. Die einstigen Größen sind vergessen. Aber Goethe gilt inzwischen als kanonisierter Autor, was heißt, sein literarischer Rang steht außer Streit. Oder wer wollte heute Leonardo in Frage stellen, der seine Malerei selbst nur unter „ferner liefen“ nannte, wenn er sich bei einem Fürsten um Arbeit bewarb?

Sie können das alles ignorieren, so lange Sie nicht auf dem Kunstmark reüssieren wollen, öffentliche Gelder lukrieren möchten. oder sich in einen öffentlichen Kunstdiskurs einbringen. Wenn Sie sich aber in Sachen Kunst exponieren, sollten Sie Ihre Gründe nennen können.

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+) Archipel Gleisdorf

Postskriptum
Monika Lafer befaßt sich nun als Kunsthistorikerin ausführlicher mit dem Kontrast zwischen gegenwartskunst und Voluntary Arts. Hier der Auftakt: "Das konkrete Moment als Schnittpunkt zwischen arts and fine arts".

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