Im hinteren Dunkel des Raumes tratschen
einige Einheimische ganz unbekümmert, was
die Stimmung belastet und eine Lesung sehr
erschwert, weil sie wechselhaft laut sind.
Manchmal mit eher hohem Geräuschpegel, vor
allem wenn dort grade was Lustiges gesagt
wurde.
Danke für solche Leute, denen
das alles egal ist, denn es war kein
Eintritt zu bezahlen. Aber man kann sich bei
Lesungen das Publikum nicht aussuchen. Es
ist in meinem Milieu auch eine Frage der
Berufsauffassung, daß man sowas durchsteht
und die Lesung durchzieht. (Mit Klaus Kinsky
hätten die Schnösel jetzt richtig harten
Ärger gehabt.)
Haben wir es
verabsäumt, in dieser Gesellschaft eine
Ahnung vom Unterschied zwischen
Andachtsübung und Respekt vor den
Vortragenden zu vermitteln? Oder wäre das
freudianisch zu entschlüsseln? Selbstachtung
ist vermutlich eine wesentliche
Vorbedingung, um von anderen Leuten geachtet
werden zu können.
Einem großen Publikum muß man
gewachsen sein.
Ich erinnere mich an eine Lesung in
einem Kellerlokal in Wien, wohin ich mit
Jürgen Rottensteiner eingeladen worden
war. Unser Gastgeber Walter
Schwarzlmüller bemerkte lapidar:
„Wenn mehr als fünf Leute kommen, habt
ihr zwei Auftrittsverbot. Dann lese ich
selber.“
Ich erinnere mich
andrerseits an einen gemeinsamen
Auftritt von Erich Fried und Erwin
Ringel. Eine riesige Sause und der Saal
zum Bersten voll. Hat der selige Ernst
Jandl einst Säle gefüllt? Ich nehme es
nicht an. Es liegt wohl sehr an der
individuellen Disposition, welche
Dimension an Publikum man sich wünscht.
Als ich Ende der 1970er Jahre in
Hamburg für verschiedene Blätter
hauptsächlich über Musik und Kino
geschrieben habe, galten dort Auflagen
von 250.000 als üblich und banal. Damals
hab ich junger Hupfer mir vorzustellen
versucht, was geschehen würde, wenn
davon wenigstens 40.000 bis 50.000 Leute
meine Texte lesen würden.
Ich schätze minimalistische Momente
und auch die Flüchtigkeit.
Wäre daraus eine interessante
Wirkung auf meine Biographie zu
erwarten gewesen? Gar nichts ist
passiert. Ich fand es dann ohnehin
weit bewegender, mit Nick Mason
(Pink Floyd) zu plaudern, mit Eric
Burdon über Rock & Roll zu reden,
mit den Grandmothers of Invention
(Zappas Ex-Band) nach einem Konzert
zu saufen, Bob Dylan wenigstens aus
etwas Distanz live zu sehen, solche
Sachen.
Publikum? Ich
vermute, das ist ein Phantasma, ein
erträumtes Gegenüber, um sich bei
der künstlerischen Arbeit nicht gar
so einsam zu fühlen. Aber euch ein
konkretes Umfeld für eine
wechselseitige Beziehung, der man
sich gewachsen erweist.
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