So gesehen ist mein privater Traum von Space
Shuttle längst temporäre Realität. Was da an
Technik und Bedienungselementen in so einem
Fahrgastraum zusammenkommt, ist sogar bei
den hinteren Sitzen komplexer als einst das
komplette Cockpit eines Ford Escort.
Was rund drei Sundern Fahrt in Anspruch
nimmt, untertags ein wenig mehr Zeit, führt
zum Beispiel von Gleisdorf ins obere
Mühlviertel. Start um 7:30 Uhr. Irgendwo
unterwegs eine Dröhnung mit zwei mal
doppeltem Espresso. Die Tür des Wagens ist
so dick, daß ich frage, ob der gepanzert
wurde. Nein, er ist nicht beschußfest.
In den US-Krimis sehe ich oft, wie Cops
hinter der geöffneten Autotür in Deckung
gehen, wenn der Bösel aus einem
automatischen Karabiner das Feuer eröffnet.
In so einem Setting stirbt man. (Ich meine
mich zu erinnern, daß ich mit einem
Sturmgewehr auf 300 Meter Distanz eine
fingerdicke Stahlplatte stanzen konnte.)
Das ist die Art unnützes Wissen, mit dem
ich bis zu den Ohren vollgestopft bin.
Ich werd das in der Praxis hoffentlich
nie brauchen. Da ist es schon nützlicher
zu wissen, daß die Statur auf der Brücke
über die Große Mühl mit aller Sicherheit
der Heilige Nepomuk ist, denn er gilt
als der prominenteste Wasserheilige und
steht gerne auf Brücken herum.
Dort befindet sich Neufelden. Wir haben
Joachim Eckl in Sachen „Archipel
Gleisdorf“ besucht. Er hat ein
vormaliges Lagerhaus samt Silo und
Nebengebäuden zu einem Ort der Kunst
ausgebaut. In einem Trakt befinden sich
Arbeiten von Marcus Kaíser, die ich nun
erstmals real gesehen hab. Wenn alles
gut geht, wird Kaiser ein Jahr lang in
Gleisdorf gastieren, sich mit seiner
Arbeit in ein Gebäude schrittweise
hineinbauen.
Dann hat nicht mehr bloß Bad Ischl eine
Kaiser-Villa, sondern Gleisdorf
ebenso. Eckl warnte uns, in einigen
Bereichen des Lagerhauses sei es sehr
kalt. „Kann doch auch nicht kälter sein
als hier heraußen“, meine ich zu einem
meiner Reisegefährten. So kam es.
Nach einer Weile entdeckte ich unter
einem Flugdach einen quietschgelben
Yank Tank, sah mir den Wagen näher an.
Ich fragte Eckl: „Chevy Caprice?“
Er nickte. Nicht daß ich so superschlau
wäre, aber die Capricen sind erst ab der
vierten Generation rundgelutscht, sehen
damit nach meinem Geschmack nach Buick
aus. Bis 1990 sind sie noch recht
markant und kantig gewesen; wie dieser
in Neufelden.
Aber was red ich denn? Wir rannten
gleich darauf in Beuys und Rinke hinein,
in zahllose andere Werke und Dinge, wie
mir zum Beispiel ein Grubentelefon oder
eine Morsetaste auffiel. Aber auch die
Reste eines Holzbootes, auf das man
durch ein Glasfenster im Boden des
Stockwerks darüber blicken konnte, so
als hätte ich eine archäologische Stätte
entdeckt.
Ganz zu schweigen von
allerhand Uschebtis, unzähligen Büchern
und einem Bösendorfer-Flügel in der
Kälte. Sie ahnen gewiß, genau so soll
mein Leben sein. Diese Art von
Aufenthalt in einer grenzenlosen
Wunderkammer. Gebaute Fundamente einer
ebenso grenzenlosen Gedankenwelt.
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Archipel (Ein Logbuch)
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Archipel:
Neufelden