Nach meinem Geschmack wird generell viel zu
viel gesprochen. Das kommt womöglich von der
Tatsache, daß Stille schon länger nicht so
rasend populär ist. Vielleicht sind das auch
die Mediensituationen. Es meint doch jeder
Depp, daß er sich unbedingt bemerkbar machen
muß, weil... Ja, was eigentlich? Weil er
sich sonst dem Untergang geweiht sieht? Ich
weiß es nicht.
Bei meiner aktuellen
Literaturrecherche hab ich im
Archipel-Zusammenhang unter anderem einen
Klassiker von Luce Irigaray aus dem Regal
gezogen. „Das Geschlecht, das nicht eins
ist“ stammt aus dem Jahr 1977. Das Jahr, in
dem ich meinen Job als Buchhändler
hingeschmissen hatte, um fortan als
Freelancer in der Kunst zu leben. (Mit einer
schlanken Enduro, einer Honda XL 350, die
damals noch nicht abbezahlt war.)
Aber Luce Irigaray! Ich erinnere mich,
daß ich Autorin Silvia Treudl, die
damals für den Wiener Frauenverlag tätig
war, anrief, um sie zu fragen:
„Wie,
bitte, spricht man diesen Namen aus?“
(Konnte sie mir natürlich sagen.)
Da ist dieser Irigaray-Satz, mit dem
ich jetzt schon die zweite Woche
herumrenne, ohne im Nachdenken darüber
zu einem Ende zu kommen:
„Es gibt
keine prädiskursive Realität. Jede
Realität begründet und definiert sich
über einen Diskurs.“
Musiker Bertl Pfundner (†).
Ich hab grade ein Foto von der Treudl
gesucht, das ist ja jetzt gut 20 Jahre
her. Und was find ich überdies? Die
Lisbeth List (†). Philosophin. Nicht
mehr unter uns. Überdies den Pfundner
Bertl (†), ebenfalls bei den Sternen.
Der spielte als ein Teil von „Aniada a
Noar“ und wenn wir angetrunken waren,
kam es vor daß wir ihn
„Bundner
Pfertl“ riefen. An solche Blödsinne
erinnere ich mich beim Nachdenken.
Dieses Foto stammt aus Wiesen im
Burgenland, wo wir beim Josef Hader
aufgeschlagen hatten. Dort sah ich den
Hader aus einer Dose unterm Rühren
Kokosmilch in die Reispfanne schütten
und nahm mir vor: das probier ich
zuhause auch. Es wurde entsetzlich. Aber
der Hader ist ein vorzüglicher Koch.
Kabarettist Josef Hader.
So mag ich meine Stille, im Nachdenken
über offene Fragen, sobald mein Kopf für
die grade aktuelle Arbeit zu müde ist.
Und dieser Hauch von Reminiszenzen. Ich
war damals ja unzerstörbar. Ich fuhr
eine rote VFR 750, meinen lächelnden
Dämon. Eine Honda mit wassergekühltem V4
Triebwerk. (Jede Menge Dampf.) Das war
eines der wenigen Eisen, mit dem ich
nicht bluten mußte und mir nichts
gebrochen hab.
Ich brauch solches
Schwelgen manchmal als Gegengewicht,
denn ich finde die Arbeit am „Archipel“
grade recht anstrengend, da ein paar
andere Sachen parallel laufen. Aber
egal, das muß sich so ereignen, damit
auf den Punkt kommt, was ich mir in den
Kopf gesetzt hab.
Honda 750 VFR als
Randerscheinung.
Und das noch: Quantenphysikalisch
betrachtet ist es durchaus plausibel,
von Toten anzunehmen, daß sie gerade bei
den Sternen seien. Keine Metapher, eine
physikalische Tatsache, die sich fügen
kann. Das find ich ziemlich gut.
+)
Archipel: Die Region