12. Jänner 2024

Irgendwo muß noch Nebel sein!

Es ist schon so, daß ich eigentlich eine Art von Doppelleben führe. Das handelt von einem Pendeln zwischen völliger Stille und verschiedene Varianten der Geselligkeit. Ich bin sicher, daß ich nichts Misanthropisches an mir habe. Man kann mich auch nicht den Kulturpessimisten zustimmen.

Es ist bloß so, daß es mir angenehm wäre, wenn ich Stille und Geselligkeit in einem Verhältnis von 3:2, noch besser 4:2 anordnen könnte. Die Zillertalerin, einer der Jungen in meiner Meute, hält mich für einen Teilzeit-Eremiten. Das finde ich recht passend.



Autorin Sylvia Treudl.

Nach meinem Geschmack wird generell viel zu viel gesprochen. Das kommt womöglich von der Tatsache, daß Stille schon länger nicht so rasend populär ist. Vielleicht sind das auch die Mediensituationen. Es meint doch jeder Depp, daß er sich unbedingt bemerkbar machen muß, weil... Ja, was eigentlich? Weil er sich sonst dem Untergang geweiht sieht? Ich weiß es nicht.

Bei meiner aktuellen Literaturrecherche hab ich im Archipel-Zusammenhang unter anderem einen Klassiker von Luce Irigaray aus dem Regal gezogen. „Das Geschlecht, das nicht eins ist“ stammt aus dem Jahr 1977. Das Jahr, in dem ich meinen Job als Buchhändler hingeschmissen hatte, um fortan als Freelancer in der Kunst zu leben. (Mit einer schlanken Enduro, einer Honda XL 350, die damals noch nicht abbezahlt war.)



Philosophin Lisbeth List (†).

Aber Luce Irigaray! Ich erinnere mich, daß ich Autorin Silvia Treudl, die damals für den Wiener Frauenverlag tätig war, anrief, um sie zu fragen: „Wie, bitte, spricht man diesen Namen aus?“ (Konnte sie mir natürlich sagen.)

Da ist dieser Irigaray-Satz, mit dem ich jetzt schon die zweite Woche herumrenne, ohne im Nachdenken darüber zu einem Ende zu kommen: „Es gibt keine prädiskursive Realität. Jede Realität begründet und definiert sich über einen Diskurs.“



Musiker Bertl Pfundner (†).

Ich hab grade ein Foto von der Treudl gesucht, das ist ja jetzt gut 20 Jahre her. Und was find ich überdies? Die Lisbeth List (†). Philosophin. Nicht mehr unter uns. Überdies den Pfundner Bertl (†), ebenfalls bei den Sternen. Der spielte als ein Teil von „Aniada a Noar“ und wenn wir angetrunken waren, kam es vor daß wir ihn „Bundner Pfertl“ riefen. An solche Blödsinne erinnere ich mich beim Nachdenken.

Dieses Foto stammt aus Wiesen im Burgenland, wo wir beim Josef Hader aufgeschlagen hatten. Dort sah ich den Hader aus einer Dose unterm Rühren Kokosmilch in die Reispfanne schütten und nahm mir vor: das probier ich zuhause auch. Es wurde entsetzlich. Aber der Hader ist ein vorzüglicher Koch.



Kabarettist Josef Hader.

So mag ich meine Stille, im Nachdenken über offene Fragen, sobald mein Kopf für die grade aktuelle Arbeit zu müde ist. Und dieser Hauch von Reminiszenzen. Ich war damals ja unzerstörbar. Ich fuhr eine rote VFR 750, meinen lächelnden Dämon. Eine Honda mit wassergekühltem V4 Triebwerk. (Jede Menge Dampf.) Das war eines der wenigen Eisen, mit dem ich nicht bluten mußte und mir nichts gebrochen hab.

Ich brauch solches Schwelgen manchmal als Gegengewicht, denn ich finde die Arbeit am „Archipel“ grade recht anstrengend, da ein paar andere Sachen parallel laufen. Aber egal, das muß sich so ereignen, damit auf den Punkt kommt, was ich mir in den Kopf gesetzt hab.



Honda 750 VFR als Randerscheinung.

Und das noch: Quantenphysikalisch betrachtet ist es durchaus plausibel, von Toten anzunehmen, daß sie gerade bei den Sternen seien. Keine Metapher, eine physikalische Tatsache, die sich fügen kann. Das find ich ziemlich gut.

+) Archipel: Die Region