Mir wurde allerdings ebenso
unmißverständlich klar, daß man sein eigenes
Leben vergiftet und das Leben anderer
beschädigt, falls wenn man in diesem Zustand
von Gewaltbereitschaft verbleibt. Ein
Dilemma, an dem sich freilich arbeiten läßt.
Ich bin sehr froh, daß mir dieser
Kurswechsel möglich war, bin überzeugt, nur
so ließ sich der Weg in meine Vaterschaft
ebnen und dabei sicherstellen, daß ich von
all diesem Dreck nichts weitergebe. Aber es
ist immer noch so: Ich hab keinen Pazifismus
in mir.
Ich halte ihn für eine sehr
wichtige Strategie ohne taktische
Qualitäten. Damit meine ich, eine
Gesellschaft kann von laufender
Brutalisierung nur wegkommen, wenn es
Strategien zur Friedfertigkeit gibt, wenn
der Gewaltverzicht als hohes Gut gelten
darf, wenn wir darüber einen breiten
gesellschaftlichen Konsens erreichen.
Aber in der Konfrontation mit einem
Aggressor hilft mir diese Strategie nichts.
Da muß ich taktisch antworten. Ist das so?
Ich kenne diese drei Optionen: a) ausweichen
(abhauen), b) den Aggressor abschrecken
(sehr bedrohlich wirken) und c) den
Aggressor entwaffnen (Gewalt konkret
anwenden).
Habe ich bezüglich dieser
Eskalationsstufe, der Identifizierung eines
Aggressors, etwas übersehen? Ich mag das
Prinzip „Wenn es wer besser weiß, machen wir
es anders.“
Zum Stand der
DingeWie sehr auch woanders
geschossen wird, das Grauen um sich greift,
wir möchten in Österreich offenbar auf den
Krieg der Worte nicht verzichten. Auch das
fiele eigentlich unter die Verpflichtung zum
Gewaltverzicht, denn ich behaupte: jedem
Massaker geht ein Krieg der Worte voran.
Das üben viele schon in ihrem Alltag zu
ganz beliebigen Anlässen. Aber offenbar gibt
es keinen breiten gesellschaftlichen
Konsens, daß Gewalt durch Sprache etwas ist,
mit dem man Menschen sehr konkret Schaden
zufügen kann. Das Beschimpfen, das
Herabwürdigen, die Häme und die
Beleidigungen.
Gewalt durch Sprache
ist noch nicht gegeben, wenn zwei Leute in
einer Verschiedenheitsrelation
aneinandergeraten. Sie macht sich erst
breit, wenn jemand auf Argumente zur Sache
weitgehend verzichtet und statt der
Argumente des Gegenübers das Gegenüber
selbst angreift. Argumente zur Person sind
die Geschosse, von denen immer welche
durchschlagen.
Ich erinnere mich an
einen Buddhisten, der gesagt hat, in seiner
Ausbildung habe er zu bedenken bekommen:
„Der erste Pfeil trifft immer“. Man
kann es nicht aus der Welt schaffen, daß
Menschen sich Gewalttätigkeiten erlauben.
Das führt zu Treffern. Aber wir können im
besten Fall lernen, daß es bei jenem ersten
Treffer bleibt. Das läßt sich üben.
Vielleicht stecken im Pazifismus - neben
seiner wichtigen strategischen Bedeutung -
doch auch taktische Qualitäten und ich kenne
sie bloß vorerst nicht.
+)
Eurasien+)
Palästina