Das eine kam über eine Revolution des
Personal Transport ab Ende der 1950er Jahre.
Das andere lief über die Digitale Revolution
in den 1970ern und konnte sich spätestens ab
Mitte der 1990er bundesweit entfalten.
Wir sind also gefordert, für die 2000er
Jahre neue kulturpolitische Fragestellungen
a) zu finden und b) zu bearbeiten. Wie? Na,
am besten schrittweise. Ein Beispiel.
Autorin Marianne Schaufler begann dieser
Tage, einige Fragen zu formulieren und ins
Web zu wuchten. Wir haben diese Debatte
dringend nötig. Vor allem, weil sich während
der letzten 30 Jahren im Kulturbereich ein
Spießertum breitgemacht hat, das genau
solche Debatten vorzugsweise zu ersticken
versucht.
Gute Frage!Ich
zitiere Schaufler:
„Eine der Fragen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden
wir jetzt alle gesellschaftlich und
persönlich stehen. Was wird dabei
wesentlich sein und welche Rolle kommt
dabei der Literatur, der Kunst an sich
zu? Kunst ist in der Lage das
persönliche Wohlbefinden zu steigern.
Kunst kann Revolution. Sie kann
Aufmerksam machen. Sie dient der
Inspiration. Sie ist ein Vermittler von
Emotionen, Ideen und Perspektiven. Sie
muß jetzt zum Zeitgeschehen die
richtigen Fragen aufwerfen. Lasst uns
gemeinsam unsere Betrachter anregen.“
Meine erste Reaktion lautete: „im
sinn der nötigen antwortvielfalt, die
kunst ist nur der kunst verpflichtet.
die gesellschaft muss selbst
klarkommen.“ Dann aber fiel mir – dank
Schaufler – auf, wo meine Leute hier in
den letzten Jahrzehnten falsch abgebogen
sind.
Was die Autorin hier als
Frage rausgehauen hat, faßt recht
anschaulich zusammen, wie viele
Kulturschaffende ihre Kunstpraxis zu
legitimieren versuchen. Vor allem dann,
wenn sie sich um eine Kofinanzierung
künstlerischer Vorhaben durch die
öffentliche Hand bemühen,
beziehungsweise Präsenz in öffentlichen
Räumen beanspruchen.
Krusche ringt mit seinen
Dämonen. (Heinz Payer)
Sie wenden sich mit ihren Anstrengungen
nicht primär an die Kunst selbst,
sondern an eine Seilschaft von Politik
und Verwaltung, wahlweise an eine
Geschäftswelt, wo da wie dort eine klare
kulturpolitische Position meist
vermieden wird.
Was kann
Kunst?Wenn man nun eine
mögliche Liste der „Wohltaten durch die
Kunst“ eindampft und das Ergebnis
betrachtet, tendieren solche Konzepte
zur Verbesserung der „Volksgesundheit“
und generell der Welt, werden zur
Erbauung der Menschen angelegt, genauer:
zur Belehrung, zu erzieherischen
Schritten. Kunst als Mittel der
Sozialarbeit? Daran glaube ich nicht.
Wenn überdies die Kunst all das in
einem relevanten Maß leisten könnte,
warum ist dann a) Europas Gesellschaft
erneut von so radikalen Ansichten
geprägt und gesamt (seit den 1980ern)
merklich nach rechts gerückt, während b)
derzeit Neofaschisten und
Putin-Kollaborateure einen auffallenden
Boom erleben?
Erbauung muß sein! Oder?
Genau das belegt nach meiner Ansicht die
„revolutionäre Bedeutungslosigkeit“ der
Kunst. Sie hat schlicht andere Aufgaben.
Es ist schon mit Leuten wie Bert Brecht
oder Jean-Paul Sartre nicht gelungen,
einer Gesellschaft über Mittel der Kunst
und über ein reges geistiges Leben die
Beachtung der Menschenrechte sehr viel
schmackhafter zu machen.
Auch der
Stellenwert Kunstschaffender und ihre
aktuelle soziale Situation in unserem
Land belegen nicht gerade einen breiten
gesellschaftlichen Konsens darüber, daß
Kunstpraxis die oben genannten
Qualitäten anbieten würde.
Wechsel des Blickwinkels
Daraus schließe ich, daß wir die Sache
von der anderen Seite her denken
könnten. Ich brauche dem werten Publikum
nicht zu versichern, welche Wohltaten
und Werte die Kunstwerke unserer
Gesellschaft brächten. Der Kunstbetrieb
ist in dem Kontext kein Krämerladen.
Wir sollten alle Kraft auf das
Erarbeiten erstklassige Werke verwenden,
zuzüglich auf ein adäquates geistiges
Klima. Damit könnte die Gravitation
unseres Genres zunehmen, könnte weit
mehr Prestige bringen als alle
Beteuerungen. Vor allem aber Wirkung
entfalten; und zwar als Metier und als
Milieu, was von den handelnden Menschen
kommt. nicht von den Werken selbst.
+)
Kulturpolitik
(Notizen)