Apropos Beschreibungen! Der dokumentierte
Kunstdiskurs ist in Europa naturgemäß nicht
einmal annähernd so alt wie künstlerische
Praxis. Durch Platon wissen wir, daß
Sokrates die aufkommenden Schriftkultur
energisch kritisiert und abgelehnt hat. Das
Aufschreiben war für Sokrates keine Option.
Bei Platon selbst sieht das anders aus.
Sonst wüßten wir heute ja nichts vom Denken
dieser Männer. Er zeigte sich übrigens als
ein strenger Kunstkritiker. Durch erhaltene
Schriften wissen wir ferner, daß schon in
der Antike leidenschaftlich gestritten
wurde, ob eher jene Kunstwerke von Belang
seien, die einen breiten Publikumsgeschmack
treffen, oder ob bevorzugt werden soll, was
kleine Kreise erlesener Kenner für Kunst
halten.
Dieser Streit ist bis heute
unentschieden. Ganz einfach deshalb,
weil er nicht entscheidbar ist. Es liegt
auch nicht im Wesen der Kunst, genau
solche Kontroversen zu bedienen. Wir
haben jede Freiheit, ganz
unterschiedliche Wahrnehmungserfahrungen
zu machen und daraus vielfältige, auch
gegensätzliche Schlüsse zu ziehen.
Wir haben jede Freiheit, uns darin
uneins zu sein, was wir für Kunst
halten. Dabei könnte einem dämmern, daß
die Qualität des Themas genau in diesem
permanenten Diskurs liegt, in einer
Debatte, die nie endet. Wer denkt, man
könne in solchem Streit jemanden
„besiegen“, hat nicht verstanden, womit
wir es da zu tun haben. Das immer wieder
neue Erkunden dessen, was wir mit
„Conditio humana“ meinen.
Sie
lieben Ramsch? Wer sollte Ihnen das
streitig machen? Sie bevorzugen
Gebrauchsgrafik und gefällige Stoffe?
Was spricht dagegen? Sie suchen die
Irritation und möchten stets neu an die
Grenzen Ihrer Kenntnisse kommen? Kein
Problem! Ist verfügbar.
Wir haben Gleisdorf mit einigen
überregionlalen Kunstprojekten
verknüpft.
Wer sich unsicher fühlt, kann im Rahmen
des etablierten Kunstkanons endlos
hinreißende Werke finden, die
prinzipiell außer Streit stehen. Wer
seine vertrauten Kenntnisfelder sprengen
will, bekommt dazu heute leichter denn
je unterschiedliche Gelegenheiten.
Das bedeutet auf keinen Fall, diese
ganze Sache mit der Kunst sei beliebig.
Es besagt bloß, daß wir uns in einem
Panorama von unglaublich kontrastreichen
Konzepte und Werkräumen aussuchen
können, was uns zusagt. Es wird nur dann
Probleme aufwerfen, wenn jemand aus
einem Lager die Leute in den anderen
Lagern zu bedrängen versucht, ihnen die
eigenen Ansichten eintrichtern möchte.
Das ist erstens Unfug und zweitens ohne
praktischen Nutzen, außer daß sich
jemand in einer Hierarchie auf Kosten
anderer Menschen nach oben strampeln
will.
+)
Kulturpolitik
(Notizen)