8. Dezember 2023

Leben in der Kunst IV

Es gibt noch einen anderen, überaus kuriosen Grund, weshalb ich gelegentlich mit erregten Leuten aus Kreisen des Bildungsbürgertums kollidiere. Die Realität eines professionellen Künstlerdaseins stört die Beschaulichkeit und die Betulichkeit von treuherzigen Kräften der überschaubaren Verhältnisse.

Pardon, es gelingt mir nicht, den ironischen Unterton auszublenden, weil sich diese Herzchen nun seit Jahrzehnten weigern, ihre Kenntnisse über unser Metier auf Stand zu bringen. Der Kern möglicher Klarheiten ist eine ganz simple Tatsache.



Kunsthistoriker Werner Fenz (links) und Künstler Jochen Gerz bei einer Gleisdorfer Session.

Es gibt in Österreich kaum Kunstschaffende, denen es gelingt, aus rein künstlerischer Tätigkeit ein angemessenes Jahreseinkommen zu erwirtschaften. Das ist für ein Gros meiner Kolleginnen und Kollegen einfach nicht möglich. Der Markt gibt es nicht her, ganz egal, welche Qualität man bietet. Punkt!

Ich rede hier noch von Gegenwartskunst, nicht vom Dekorationsgeschäft, auch nicht von gehobener Freizeitgestaltung, also „Kunst als Hobby“. Ich meine Arbeiten, die in einem zeitgemäßen Kunstdiskurs zur Debatte stehen können. Da beginnt der Ärger dann schon. Wie oft habe ich es erlebt, daß Leute, die von diesem Kunstdiskurs eher keinen Tau haben, einen ansatzlos beleidigen, wenn man dieses Thema betont.



Künstlerin Kirsty Boyle und Künstler Niki Passath beim Start der "Essigrakete".

Das ist ein wenig so, wie wenn man zwar von Mechatronik und aktueller Chip-Technologie keine Ahnung hat, aber seinen Automechaniker beschimpft, weil der darum gebeten hat, ihm nicht weiter über der geöffneten Motorhaube seinen Job zu erklären.

Wenn bloß ein minimaler Anteil von Österreichs Kunstschaffenden mit ausschließlich künstlerischer Arbeit ein gutes Jahreseinkommen schafft, was übrigens nur in Kooperation mit leistungsfähigen Galerien oder Agenturen möglich ist, dann muß ja der ganze Rest sein Brot auf andere Art verdienen.

Das sind nach meiner Einschätzung mindestens 90 Prozent aller Kunstschaffenden. Klar? Klar! Das bedeutet auch, der Broterwerb kann keine Kategorie der Kunst sein und kein Kriterium für künstlerische Qualität. Klar? Klar! Was heißt das für unsere Debatte?



Von links: Kuratorin Mirjana Peitler, Veronica Kaup-Hasler (Intendantin "steirischer herbst") und Archtiekt Winfried Lechner bei Projektbesprechung.

Das bedeutet, wenn ich über Professionalität in der Kunst spreche, dann geht es nicht um Aspekte des Marktes, um Dimensionen des Broterwerbs. Es geht um Intention, Emotionen, intellektuelle Selbstachtung, taugliche Konzepte, handwerkliche Kompetenzen. Es geht um Paktfähigkeit, Umsetzungsqualitäten, Arbeitsethos. Es geht also um Qualitäten, die vorerst nichts mit der Bezahlung einer künstlerischen Kraft zu tun haben.

Und es geht darum, daß Professionalität durch Arbeitszeit kommt. Konsequentes Arbeiten. Genies sind selten und selbst die müssen fleißig sein, sonst gedeiht kein Werk und kein Marktwert. Wenn mich also ein Bildungsbürger vor Publikum auf folgende Art schilt, dann nur, weil er damit seine eigenen Agenda verfolgt.

Von der Branche hat er offenbar keine Ahnung. Zitat: „Obwohl's Herr Krusche in seiner selbst angeeigneten Funktion als Arbiter aller Gleisdorfer Kreativen natürlich bösartig meint, wenn er von Hobbykräften spricht, sollte er schon auch bedenken, dass einer Kunst auf Hobbybasis nachzugehen durchaus ernstzunehmende Früchte tragen kann und wahrlich nicht der Leidenschaft und Hingabe entbehren muss.“ Er will eben einfach Ruhe in seinem Nähkästchen. Da stört der reale Künstler mit seinen Jahrzehnten an Praxis.

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