Und das, seien Sie versichert, ist ein
Ensemble primärer Kräfte. Die Sache hat
keine Trittbretter, auf denen man einfach
mitfahren könnte. Aber zurück zu Scheuer und
unserem jüngsten Gespräch. Was meint den Old
School, wenn wir vom Leben in der Kunst
reden?
Es meint das Obsessive, das
Handwerk und Inhalte, Inhalte, Inhalte. Es
meint: sein Metier kennen und sein Handwerk
beherrschen. Das macht den Unterschied zu
zahlreichen Hobbykräften, deren Chuzpe, den
Begriff Kunst zu kapern, inzwischen oft
lustige Blüten treibt.
Es gibt
Momente, die kann man nur mit Unhöflichkeit
abwehren. Bei Chris ereignet sich das
gelegentlich rund um den Satz
„Ich male
auch.“ Ich kenne diese Variante:
„Ich schriftle auch.“ Wieso
auch?
Ich
schriftle nicht. Ich bin Autor
und produziere Literatur.
Pose ist nur für jene wichtig, die sich
Werke aus dem Wanst schneiden, um als
Künstler gelten zu können. Würden Sie
Chris auf der Straße begegnen, kämen Sie
nicht auf die Idee, daß er ein Künstler
ist. Man sieht es ihm nämlich nicht an.
Kein Kostüm. Kein lustiges Hütchen. Kein
Begabten-Schal. Keine schrille
Brillenfassung. Keine Klunker an den
Fingern. Einfach nur Chris. Das Werk
weist ihn aus, keine Pose.
Warum
dann all das Getue? Ich denke, wir haben
es dem aufstrebenden Bürgertum der
Renaissance abgeschaut. Es war eine
Frage von Wirtschaftskraft und Rang, um
sich solchen Kreisen anschließen zu
können. Es war eine Frage von Prestige,
sich als kunstsinnig zu erweisen.
Das zeigt uns auch der Fin de
siècle. Klimt, Schiele und Konsorten
wären uns ohne ein wohlhabendes,
kunstsinniges Bürgertum womöglich nicht
bekannt. Genau das hat sich in einigen
Kennbereichen bis heute nicht geändert.
Der Kunstmarkt wird nicht von
Kunstschaffenden bestimmt.
Aus solchen Zusammenhängen stammen dann
zum Beispiel Ambitionen, sich mit der
Duftmarke Kunst im eigenen Prestige
aufzuwerten, wo man mit herkömmlichen
Talenten längst die Decke erreicht hat.
Da geht dann noch ein bißl was, wenn man
die Pose hinbekommt und das Kostüm paßt,
wenn man auf Verschwiegenheit hoffen
darf, daß also etwa niemand laut
ausspricht, wie sehr die Werke solcher
Prätendenten nichts taugen.
Muß
uns das scheren? Es muß! Weil die
posierenden Hobbykräfte Budgets vom
selben Markt abholen, auf dem wir unser
Brot verdienen. Ich nennen das
Schmutzkonkurrenz. Leute sagen mir, so
seien die Menschen eben und die
Wirtschaft sei auch so, schmutzige
Konkurrenz gelte als der Normalfall. Ist
das so?
+)
Kulturpolitik
(Notizen)