29. November 2023

Die Gmoan

Der Platz, an dem ich wohne, soll 2025 umgestaltet werden. Dazu wurde inzwischen ein Prozeß gestartet, in den sich die Bevölkerung einbringen kann. Ich hab erste Eindrücke gewonnen, wovon das inhaltlich handelt.

Dabei wurde mir nebenbei deutlich, daß es – gemessen am Rest der Interessierten – kaum noch Anrainer dieses Platzes gibt. Das heißt, wir sind eine Minorität. Das macht mir kein Kopfzerbrechen, ich finde es bloß interessant.

Gemäß meinen Neigungen muß ich stets ein wenig in der Geschichte kramen, um die Gegenwart besser zu verstehen. Sei es Erdgeschichte, um die Lage Gleisdorfs zu begreifen, die ja viel mit der regionalen Erdformation zu tun hat. Sei es Sozialgeschichte, von der man mindestens eine Ahnung braucht, um zu kapieren, weshalb die Leute ticken wie sie ticken.


Meine diesbezügliche Faustregel hat zwei Paragraphen. §1: Mentalitätsgeschichte ist unglaublich zäh. Daraus folgt §2: Drei bis vier Generationen reichen keinesfalls, um die Untertanen aus uns rauszukriegen.

Wer meint, auf solche Kenntnisse verzichten zu dürfen, wird eventuell bei den simplen Bildern von vaterländischen Kräften landen, bei Rechtsradikalen, oder bei anderen Obskurantisten. Sowas boomt derzeit im Raum Gleisdorf. Aber da dieses Problem im Rathaus hauptsächlich weggelächelt wird, muß ich mich damit augenblicklich nicht aus dem Fenster lehnen.

Der Florianiplatz war in meiner Wahrnehmung lange Zeit auch der Ort, an dem das Echo einer ständischen Gesellschaft sich halten konnte. Aus aktuellem Anlaß hab ich mein Wissen darüber aufgebügelt und ergänzt.

Wer sich schon einmal für die steirische Siedlungsgeschichte und die alte agrarische Welt interessiert hat, kann am Begriff Allmende nicht vorbeigekommen sein. Das ist gemeinschaftliches Grundeigentum, in den einstigen Dörfern den Bauern vorbehalten.

Wozu diese Betonung? Der Bauer und schließlich der Bürger waren auf sehr konkrete Standes-Konzepte gegründet. Dem gegenüber gab es eine Menge von Kleinhäuslern und Subalternen aller Arten, die einen anderen Rechtsstatus hatten.


Das hat im Kern mit dem Marktrecht und mit Stadterhebungen zu tun. Karl Kaser und Karl Stocker haben das in ihrem zweibändigen Werk über das bäuerliche Leben in der Oststeiermark thematisiert. Da hieß es ferner über die alten Dorfgemeinschaften, es habe ungeschriebene Gesetze gegeben.

Wer die brach, mußte deshalb nicht vor Gericht, sondern stellte sich damit außerhalb der Gemeinschaft. Damit setzte man sich damals zwangsläufig auf eine Liste der bedrohten Arten. Ich sehe das - vereinfacht - so: Unmut konnte von oben nach unten ausgelebt werden, nicht umgekehrt. (Die seltenen Hungerrevolten und Bauernaufstände ausgenommen.)

Thomas Kada notierte dazu in unserer Korrespondenz: „Da musst du differenzieren. Grundsätzlich stimmt das. Aber wenn du Stadt oder Marktbewohner warst hat dich bis zur Zeit Maria Theresias der Staat völlig unbehelligt gelassen. Da musstes du dich lediglich mit deinesgleichen keilen. Als einer Grundherrschaft untertäniger Dorfbewohner sah die Geschichte natürlich anders aus...“


Was ich bisher nicht wußte, fand ich nun in seiner Arbeit „Der Streit um die steirischen Gemeinweiden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“. Darin erklärt Kada die Herkunft des Begriffs Gemeinde.

Zitat: „Die synonym verwendeten Begriffe 'Allmend' und 'Gemain', bezeichnen jene Institutionen welche im anglo-amerikanischen Sprachraum 'Commons' genannt werden. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Objekte, welche durch eine Gruppe von Berechtigten gemeinschaftlich genutzt werden.“

Für unser Thema interessant: „Im Raum der heutigen Steiermark war für die Allmende der Begriff Gemain (Gemeinde, Gmein, Gmoan) gebräuchlich. Es handelte sich dabei um Dorfflure, welche der gemeinschaftlichen Nutzung vorbehalten waren,...“

+) Florianiplatz (Notizen)