27. November 2023

Eine Frage der Medienkompetenzen

Wir leben heute in einer Medensituation, die ein altes Problem in verschärfter Form neu aufgelegt hat. Wie reagiere ich auf beunruhigend Meldungen, deren Ursprung völlig außer meiner Reichweite und Möglichkeiten liegt?

Einst waren die Haushalte zuerst mit Radios versehen, manche mit einem sogenannten „Phonoschrank“, in dem Radio und Plattenspieler kombiniert wurden. Die TV-Geräte setzten sich in den 1960ern breit durch, waren anfangs auf zwei Kanäle beschränkt. Das änderte sich radikal mit dem Fall des Rundfunkmonopols.

Wer nicht übermäßig sparen mußte, hatte zu all dem eine Tageszeitung abonniert. Manche Wochenblätter fanden ihr Publikum, wahlweise die kuriosen Dienste von „Readers Digest“. In den wenigstens drei Jahrzehnten, von den 1970ern zu den 1990ern, wuchs das spezielle Problem. Wir erhielten Schreckensmeldungen aus der ganzen Welt. Auf die meisten Vorfälle konnte unsereins nicht reagieren, weil sie zu weit entfernt stattfanden, weil einem Kompetenzen und/oder Mittel fehlten, konkret zu handeln, einzugreifen...


Das geriet schon damals unter anderem eine Frage der Medienkompetenzen. Mit Österreichs Anbindung an das Internet wurde die Situation ab dem Anfang der 1990er Jahre nicht einfacher. Der tägliche Informationsfluß hatte sich zu Sturmfluten ausgeweitet.

Hätten wir Akteurinnen und Akteure der heimischen Netzkulturszene wenigstens ab der Meko 99 konsequent und quer durchs Land daran gearbeitet, angemessene Medienkompetenzen zu entwickeln und solches Know how anzubieten, wäre vielleicht manches anders gekommen. Aber das bleibt Spekulation. Ein „Was wäre, wenn?“ bleibt völlig nutzlos. (Siehe zur Meko 99 die „Linzer Erklärung“!)

Faktum ist, daß der Boulevard über die vollzogene Medienkonvergenz eine enorme Breite angenommen hat, quasi ein Kontinent geworden ist. Ich nehme zur Kenntnis, daß via Internet Legionen von Menschen in die öffentlichen Diskurse eingetreten sind, wobei große Anteile den Informationsgewinn schon für Wissenserwerb halten.

Ich hab es nicht kommen gesehen, daß schließlich auch noch allerhand Lobbies ihre Bots in die Debatten schicken und Meinungsbildung betreiben. Das bedeutet, Software simuliert reale Personen, die sich mit bestimmten Inhalten in den Diskursen breit machen. So wurde das Web einmal mehr korrumpiert.


Ich finde vorerst keine Hinweise darauf, daß es im steirischen Kulturgeschehen Vorhaben bezüglich einer Netzkultur auf der Höhe der Zeit gäbe. Ist zum Beispiel mur.at, die einstmals prominente "Initiative Netzkultur", heute essenziell mehr als ein Netzkultur-Museum? Ich bezweifle das. (Andere Beispiele? Irgendwo?)
https://mur.at/

Aktuell: Palästina
Ich bin nicht bereit, den Israelis in ihrem Dilemma und den Palästinensern in ihrem Unglück von Österreich aus etwas zuzurufen oder gar Ratschläge zu verteilen. Für mich sind diese Vorkommnisse exzessiver Gewalt der Anlaß, über unsere eigene Situation nachzudenken.

Von den Rechtsextremen in politischen Ämtern und den nationalistischen Schreihälsen, bis zu innerfamiliärer Gewalt und zu Femiziden, bleibt uns genug zu tun, um an vergleichbaren Grundlagen solcher Probleme zu arbeiten; auch wenn die Gewalt bei uns nicht solche Ausmaße annimmt. In dem Zusammenhang hab ich jetzt das Thema Palästina aus der Kolumne “Eurasien” herausgelöst und separat gelistet. Das Intro:

“...Ich sehe unseren Teil Europas in einem Spannungsfeld zwischen der kriegerischen Expansion Rußlands und der Hamas-Attacke auf Israel. Dazwischen, also unter uns, das weitere Reüssieren einer Neuen Rechten, die sich seit den 1980ern quer über den Kontinent unterschiedlich erfolgreich um politischen Einfluß bemüht. Das bedeutet vor allem auch, der Neofaschismus macht bemerkenswerte Fortschritte.