17. November 2023

Auch das noch!

Es ist wieder einmal Zeit für die kleine Zahlenmystik. Hier nun Blatt Nummer 3.500 in meinem Logbuch. Den ersten Eintrag gab es am 31. Dezember 2003. Das ist also inzwischen ein ziemlich runde Angelegenheit.

Nimmt man die anderen Leisten dazu, in denen ich Glossen, Kommentare und Features publiziert habe, läßt sich redlich behaupten, daß in nun 20 Jahren quasi jeder Tag bespielt wurde.



Ich bedaure! Dafür hat es nicht gereicht.

Die 20 mal 365 Tage ergeben 7.300 Positionen. Na, das geht sich locker aus. Mir wurde in all der Zeit öfter geraten, nicht so, sondern anders vorzugehen. Man könne sonst als Schriftsteller nicht reüssieren, auch von den Förderstellen nicht gut berücksichtigt werden. Es sei zum Beispiel klug, ein paar Romane zu schreiben. Nein, Lyrik könne nicht empfohlen werden.

Ich aber bin Lyriker und mach es genau so, wie Sie es hier sehen. Ich bin in manchen Belangen ziemlich beratungsresistent. Zugegeben, mein bevorzugter Modus ergibt weder ein bemerkenswertes Jahreseinkommen, noch eine wenigstens halbwegs prominente Rolle im Feuilleton. Man sieht ja, wo ich gelandet bin.



Meine Notiz von 2009: Content, Community, Continuity.

Genau! In einem Zustand sehr hoher Selbstbestimmung bei ziemlich mäßigem Marktwert. Aber ja! Das hat mir allerhand Geringschätzigkeit eingebracht. Lustig! Denn Sie dürfen mir glauben, ich hab mehr als einige Leute näher gekannt, die bis in die Frankfurter Allgemeine oder die NZZ gelobt wurden, im heimischen Standard sowieso. (Manche unter ihnen erlebten sogar den Status eines „Bestsellers“.)

Hatten die bisher ein essenziell besseres Leben als ich? Hm. Und wo sind sie jetzt? Auf Daunen gebettet, mit Zimmerservice und einem Bentley vor der Tür? Oder in irgend einem anderen feuchten Traum?



Man muß es in der Kunst genau nehmen!

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit der feinsinnigen Barbara Frischmuth, das lange her ist, denn ich trug damals noch eine Motorradjacke aus dem letzten Weltkrieg. Frischmuth ist ohne Frage eine der bedeutendsten Autorinnen in Österreichs Gegenwart. Wir sprachen unter anderem über Prominenz und sie sagte: „Ach, wissen Sie, wenn ich zum Beispiel nach Frankreich komme, weiß dort auch niemand, wer ich bin.“

Ich halte es für eine Frage der Professionalität, daß man zu klären weiß, auf welchem Feld und in welchem Segment man zu reüssieren versteht, welcher Kategorie von öffentlichem Leben man sich gewachsen fühlt. Und zwar auf der Basis einer hinreichenden Klarheit, mit welchen Bedingungen man sein Leben in der Kunst ausgestattet sehen möchte.



Ich bin Mitarbeiter einer geheimen Staatskanzlei.

Mir fallen deshalb auch die Ohren zu, wenn jemand etwa von der „Selbstausbeutung“ bei künstlerischer Praxis redet. Der erwähnte hohe Grad an Selbstbestimmung hat einen Preis. Ich entscheide, welche Art von Marktfähigkeit ich anstrebe und womit genau ich mein Brot verdiene. Ich werde dabei in unterschiedlichen Währungen bezahlt. Cash ist bloß eine davon. Selbstbestimmung eine andere.

Wer darauf besteht, mit rein künstlerischer Arbeit ein beeindruckendes Jahreseinkommen zu lukrieren, muß erstens künstlerisch sehr gut und auf der Höhe der Zeit sein, muß sich zweitens mit den Marktgepflogenheiten arrangieren, muß sich gelegentlich Leuten gefällig erweisen, die möchte ich nicht an meinem Tisch sehen.

Wer das bejammert, sollte besser reiche Eltern haben oder jemanden in guter Position heiraten, um sich durchfüttern zu lassen. Auf dem Kunstmarkt machen nur sehr wenige gut Kasse, egal in welchem Genre. Da sind immer nur ein paar Plätze verfügbar und schnell besetzt. Alles andere ist Legende.

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