24. Oktober 2023

Kunst, Kultur und Politik III

Als Profi muß ich nicht bloß mein Handwerk beherrschen, sondern auch mein Metier kennen und Klarheit haben, in welchem Bereich des Marktes ich mein Brot verdienen möchte. Ohne derlei Orientierung blieben einem bloß Geschwafel und Selbstmitleid, um sich zu trösten.

Ich sehe den gesamten Kulturbetrieb in verschiedene Sektoren aufgeteilt, die ganz unterschiedlich funktionieren. (Gegenwartskunst, Hobbyliga, Dekorationsabteilung etc.) Es gehört zu meinen Kompetenzen, auch zu den Grundlagen von Professionalität, daß ich in der Lage bin, klare Entscheidungen zu treffen, weshalb ich in welchem Sektor reüssieren möchte.



Eine Liga, in der ich nicht mitspiele.

Ohne solche Skills blieben die allgemein gerne erwähnten Eigenschaften wie „autonom“ oder „frei“ bloß Geplapper. Ferner sollte ich wissen, was es braucht, um im bevorzugten Sektor voranzukommen, welche Kontakte, welche Netzwerke und welche Strategien nötig sind, damit ich meine Arbeit machen kann.

Einfach nur als Künstler gut zu sein ist dabei keine besonders relevante Kategorie, aber meist eine Voraussetzung, daß auch die anderen Zutaten Wirkung entfalten können. (Stichwort Marktfähigkeit!) Wem das alles nicht liegt: Wenig bis keine Chance, im Kunstgeschehen etwas zu erreichen. (Aber man kann ja Privatier sein, falls man erbt oder einen jemand heiratet und durchfüttert.)



Literarische Relevanz ohne literarische Ambition.

Der Staat? Dazu komme ich später noch. Aber der Staat soll bestenfalls begleiten und verstärken, soll Kunstschaffende nicht erhalten, fix alimentieren. Es gibt so schon genug politisches Personal und Verwaltungspersonen, die versuchen, primäre Kräfte zu gängeln.

Wenn das für mich halbwegs klar ist, vor allem die Sektorenfrage, kann ich meine kulturpolitischen Überlegungen sortieren. Ich halte nichts davon, dieses Lied von der schwierigen sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich zu singen, wahlweise das Banner des Prekriats vor mir herzutragen. Mir erscheint das inzwischen hauptsächlich als Kolorit und Folklore mit ziemlich ungenauen Darstellungen, wer damit gemeint sein möchte. (Was die aktuelle Armutsgrenze ist, wurde eh für alle Menschen im Land geklärt.)



Großmeister des Erzählens verewigt Großmeister der Torheit.

Die Frage des Genres
Ich unterscheide in der Gegenwartskunst, ob mir an einer internationalen Karriere gelegen ist, oder ob ich mit einem regionalen Leben in der Kunst die bessere Wahl treffe. Das verlangt nämlich vollkommen unterschiedliche Strategien und Verfahrensweisen, auch Daseinsformen. Von diesen Fragen ist die Kunstpraxis selbst noch nicht gar nicht betroffen.

Es macht allein schon einen erheblichen Unterschied, ob es mir paßt, in der Steiermark als ansässiger Künstler wahrgenommen zu werden oder ob ich österreichweit zu einem Begriff werden möchte.



Bücher in Bodenhaltung.

Wollte ich als Künstler quer durch Österreich beachtet werden, müßte ich ein völlig anderes Leben führen, als ich es derzeit tue. Aber das könnte im Prinzip als Solist geschafft werden, besser jedoch in Kooperation mit einem Verlag, der Österreich bedienen kann, wahlweise mit einer Literaturagentur. Immerhin, es wäre solo möglich, ein Stück südbayerischen Raum eventuell noch einbezogen.

Würde ich wenigstens im deutschsprachigen Raum ankommen wollen, wäre das alles völlig unzureichend. Dafür sollte ich mich auf eine Agentur und eine Edition verlassen können, die das Feuilleton bedienen können, Buchmessen im Programm haben, mit dem Buchhandel zurechtkommen, mit den Neuen Medien ebenso etc. (Als Solonummer ist sowas nicht zu schaffen.)

+) Kulturpolitik (Übersicht)

Postskriptum
Hier bloß ein paar Zahlen zu meinem Metier. Das Team der Frankfurter Buchmesse läßt wissen, daß es heuer rund 4.000 Aussteller aus 95 Ländern gab. Der Börsenverein des Buchhandels notierte für Deutschland im Jahr 2022: „Fasst man Erst- und Neuauflagen zusammen, dann sind 2022 exakt 71.524 Titel erschienen (116 Titel weniger als 2021). Davon waren 64.278 Erstauflagen, also echte Novitäten.“

Das Team von „ORF Topos“ bietet mit dem „Ausblick auf den Bücherherbst“ [Quelle] eine Orientierungshilfe, falls man wissen möchte, wer im Literaturbetrieb zu den Spitzenkräften gezählt wird. In diese Liga spaziert man nicht nicht einfach dank literarischer Qualität.