Als mir Österreichs christlichsozialer
Bundeskanzler jüngst via Kampagnen-Website
sein Mission Statement angedient hat, bin
ich nicht aus Ergriffenheit, sondern aus
Fassungslosigkeit fast auf die Knie
gegangen. Das Libretto für eine Operette?
Zitat:
“Wir glauben daran, dass wir
gemeinsam jede Herausforderung meistern
können. Wir glauben daran, dass Österreichs
Innovationsgeist Antworten auf
Zukunftsfragen geben kann. Und wir glauben
daran, dass Österreichs Schaffenskraft
Europa und die Welt vorantreiben kann. Wir
glauben an Österreich.” [
Link]
Soso! Europa und die Welt. (Was hatte dr
Mann zum Frühstück?) Ein derart schwülstiges
Gestammel ließe sich allein schon beim
Status quo der Stadt, in der ich lebe, stark
relativieren. In der Kleinregion Gleisdorf
werden Einwände einfach weggelächelt.
Kritische Diskurse kenne ich hier nicht,
bloß das eine oder andere Geplänkel via
Social Media.
Ich habe mich in dieser
politischen Bundesliga demnach nicht
getäuscht. Als sich Herr Nehammer in der Ära
Sebastian Kurz im Wahlkampf hervortat, fand
ich seine Angriffslust abschreckend, seine
Dobermann-Manieren indiskutabel. (Einstiger
Kartellverbands-Couleurnamen: „Mars“.) Ich
dachte damals: das ist kein Staatsmann.
Quelle: ORF, Zeit im Bild
Und heute ist er Bundeskanzler. Was sagt mir
das? Ich schweige aus Höflichkeit. Dann lese ich
so Sachen wie das Testimonial von Susanne V.:
“Ich glaube an Österreich, weil man in
unserem Land durch Fleiß und Ehrgeiz alles im
Leben erreichen kann.“
Was für ein
substanzloses Geschwätz! Aber es muß mich kaum
scheren, denn als alter weißer Mann bin ich von
vielem nicht betroffen, was zahllose Frauenleben
hierzulande mit Einschränkungen, die längst
abgeschafft sein müßten, umgibt.
Nehammer, Frauen, Teilzeitarbeit und das Geld.
Ist der Mann ein Zyniker? Dazu müßte er so hart
drauf sein wie Herbert Kickl. Das ist er nicht.
Aber die erregte Bedenkenlosigkeit, mit der er
sein Klientel beglückt, reicht mir auch.
Gut, ich verstehe durchaus, Propaganda ist
anderen Aufgaben gewidmet als ein kritischer
Diskurs. Ich mag hier gar nicht erst auf jenes
Nehammer-Video eingehen, das derzeit kursiert,
in dem er mir als ein eifernder Aufsteiger
entgegenkommt, dessen Impulskontrolle hakt.
Wenn sich dreißigjährige Buberln so benehmen
und äußern, nachdem sie grade wirtschaftlich
reüssiert haben und davon berauscht sind, daß
sie nun vermutlich einen sozialen
Kategoriensprung schaffen, denke ich mir:
„Blede Buam!“
Ich wende mich ab und
hoffe auf die regulierenden Kräfte einer
Erwachsenenwelt. Aber dieser Mann ist unser
Kanzler und haut Sachen raus, welche zu zitieren
ich als Zumutung empfände.