25. September 2023

Herbstbeginn


Es scheint mir, als würden sich quer durch Europa Leute aufraffen, eine Art neues heroisches Zeitalter wenigstens einmal auszurufen. Das ist keine gute Nachricht. Da rumoren quer durch verschiedene Milieus allerhand Figuren, die das pflegen, was ich einen hybriden Neofaschismus nenne. Ich halte mich da für einen Insider, denn ich bin mit den Originalen aufgewachsen. Nicht in einem eher allgemeinen Sinn. Ein Teil meines Clans hatte sich von Mitläufern zu Tätern profiliert.



Eine fette Hausbibliothek ist mir unverzichtbar.

Mir ist nach all den Jahrzehnten meiner Befassung damit klar, daß sowas eine individuelle Kontaminierung zur Folge hat, die man nicht loswerden kann. Nein, nicht in dem Sinn, daß ich davon ideologisch vergiftet wäre. Ich bin ein Mann der Republik und genau darin durchaus kämpferisch getönt.

Aber da nistet sich etwas in einem ein. Es schöpft sich für Nachgeborene aus wenigstens zwei Quellen. Erstens die Traumata derer, von denen all das angerichtet wurde, wozu der Faschismus befähigt. Zweitens die Gewalttätigkeit, die einen als Kind in solchen Milieus treffen kann. All das ist, so wurde mir klar, von einer Art der bitteren Mitleidlosigkeit eingehüllt.

Ich konnte einiges davon erst entschlüsseln, als mir Menschen vertraut wurden, die wenigstens zehn Jahre jünger sind als ich, von Müttern geboren und Vätern anvertraut, die frei von Täterschaft, Schlachtfelderfahrungen etc. sind. Ich hatte entdeckt, daß an ihnen eine Leichtigkeit ist, die ich nicht kenne.



Fritz Aigner und Thais Bauer.

Es fiel mir nicht gleich auf, daß ich mich über eine Verdichtung mehrerer Themen gerade wieder in diese Zusammenhänge begeben hatte. Durch die Begegnung mit Pianistin Thais Bauer, die auch als Komponistin aktiv ist, bekam ich wieder mit Regisseur Fritz Aigner zu tun. Den Angelpunkt dafür schuf Fotograf Richard Mayr, der mit beiden schon verschiedene Kooperationssituationen absolviert hat.

So bin ich eben im Tonstudio gelandet, wo die Filmmusik für einen Dokumentarstreifen Aigners eingespielt wird, eine Komposition von Bauer. Der Film bezieht sich auf ein Buch von Claudia Zerkowitz-Beiser: „Meine jüdische Familie. Ihr Leben in Graz und ihre Auslöschung.“ Zack! Mitten im Thema. Naja, nicht nur... Hier meine Dokuleiste zu diesem Ereignis: [Link]

In diesen Tagen erreichte mich überdies Post aus dem Dunstkreis der Neuen Rechten. Eines ihrer Genies hat mich salopp mit der Stasi assoziiert, weil ich die Aktivitäten neofaschistischer Kräfte rezensieren, dokumentiere. Das sind Leute, die eben, wie eingangs erwähnt, sich offenbar für Aktive eines neuen heroischen Zeitalters halten, welches freilich bloß eine Klamotte nach ganz altem Muster ist. Siehe dazu: „Rechtsruck: Scharler schreibt"!



MV Augusta Prospekt von 1950.

Parallel dazu bereite ich meinen Vortrag für die „Lange Nacht der Museen“ vor. Ich werde im Puchmuseum in Judenburg die Scooter-Story durchnehmen, die übrigens auch einige Schnittpunkte zum Thema Faschismus hat, in dem die Volksmotorisierung unter anderem als Mittel zur ideologischen Mobilisierung gedacht war. Siehe: [Link]

Dafür fresse ich grade Staub meines Archivs und gehen alte Journale durch, etwa von den 1930er Jahren aufwärts. Dabei kamen mir etliche Berichte über Jochen Rindt unter, dem King of Cool meiner Jugendtage.



King of Cool Jochen Rindt.

Es würden ihn sicher viele als einen Helden bezeichnen, doch aufgrund seiner völlig unaufgeregten Haltung bei zugleich Höchstleistungen im Motorsport womöglich auch als Antihelden. Dazu dann sein quasi heroischer Tod in Monza (5. September 1970), der von einem technischen Gebrechen seines Lotus 72 verursacht wurde.

Ich hab mich jüngst wieder mehrfach mit dem Begriff „Helden“ befaßt, hier am Beispiel des alten Ideals „Der Soldatische Mann“; siehe: „Das Heroische und die Realität“!

Spätestens ab 1909 gibt es eine starke Tendenz, die Autorennfahrer und die Aviatoren quasi als zivile Pendants des soldatischen Mannes zu stilisieren. Das zu dechiffrieren macht immer noch Arbeit...