Das ist vor allem kulturell bedingtes
Fehlverhalten, für das Erklärungsmuster
bereit liegen, wenn in Gemeinschaften der
achtsame Umgang miteinander zusammenbricht,
die Verteilungsgerechtigkeit in Trümmer
geht. Es hat bei uns tiefe Wurzeln, die
zuletzt im Faschismus verfeinert wurden, der
grade sein Revival hat.
Das bedeutet
aber nicht, hier würden bloß Akteurinnen und
Akteure vorgehen, die in ihrem
Selbstverständnis rechte bis rechtsradikale
Konzepte verwoben haben. Ich sehe da auch
Leute, die in ihrer Selbstdarstellung
ausdrücklich links von solchen Positionen
rangieren, aber hinter ihrer Bühne ganz
anders handeln. Gut geölte Heuchler, die
sich mit ihren Posen eine erstaunliche
Zustimmung holen, in ihrer Lebenspraxis
etwas ganz anderes verschaffen.
Aber
vielleicht skizziere ich hier etwas, das nie
anders war, bloß anders konturiert,
gewichtet, geschichtet. So sind noch
kürzlich die sozialen Hierarchien viel
massiver gewesen und was eine ständische
Gesellschaft ist, durften wir vergessen.
Aber das liegt nicht weit zurück.
Da
ich zu den frühen Akteuren der heimischen
Netzkulturszene gehöre und schon online war,
als viele um mich herum noch keine
Vorstellung hatten, was das Wort bedeutet,
kann ich auf diese Geschichte der Neuen
Medien aus teilnehmender Beobachtung
zurückblicken.
So nannten wir das in den 1990ern:
Neue
Medien. Und wir sprachen von
Medienkonvergenz. Das ist, wie gesagt,
heute Geschichtsbetrachtung. Die Zugangskosten
gingen runter, die Übertragungsraten rauf.
Webzugänge waren plötzlich nicht bloß in fast
allen Haushalten, sondern in fast allen Händen.
Damit entstand eine neue Form von
Öffentlichkeit, für die wir einst eine
Netiquette verhandelt hatten. Das meint
Regeln für die Telekommunikation und
Telepräsenz. Zum Beispiel war
Crossposting
verpönt. Heute ist das Standard. (Ich sehe im
Facebook oft die zeitgleich die selben Inhalte
einer Person wie auf Instagram. Wozu? Weiß kein
Mensch. Ist Mumpitz, aber macht nichts.)
Trolle wurden einst aus den Gruppen entfernt so
gut es ging. Heute scheinen sie in manchen
Bereichen zu regieren. Menschen zu beschimpfen (
flamings)
scheint normales Verhalten zu sein, das
vielleicht nicht gebilligt, aber vielfach
hingenommen wird.
Eine weitere Aufzählung
scheint mir müßig. Ich war eben noch
Netzkultur-Avantgarde, plötzlich bin ich ein
Online-Neandertaler. So kann's gehen. Und ich
greife auf Metaphern alter Zeiten zurück. Die
Rüpel, die Großmäuler, die Verächtlichen...
Another tribe! Das ist eben ein anderer
Stamm mit einer anderen Kultur. Falls eine
akzeptable Verständigung nicht klappt, hilft
Abstand.
+)
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