30. April 2023

Aktuelle Kontraste

Das sind recht lebhafte Tage. Meine Umtriebigkeit bringt mich gleichermaßen ins Gestrüpp und unter Menschen. Das Erkunden von Bächen und Flüssen löst eine Flut von Eindrücken aus, die mich in der Reflexion intensiv beschäftigen.

Von besonderer Qualität war diese Woche der Zugang zum historischen Kraftwerksteil in der Stubenbergklamm. Ich hatte gemeinsam mit Fotograd Richard Mayr Gelegenheit, all die Details näher zu betrachten. Drei Francis-Turbinen, wuchtige Schwungräder, fette Schrauben, für die man massiver Panzerschlüssel braucht, um sie bei Bedarf zu drehen, analoge Regler...



Francis-Turbinen an der Feistritz

Das ist der eine Aspekt. Den anderen bieten mir kontrastreiche Abschnitte der umgebenden Natur. Von Efeu umschlungene Bäume, bleiche Gräser, unruhige Enten, leuchtende Blütenblätter von Blumen, die ich nicht zu benennen weiß, Baumstämme im Wasser, Mauerreste, die von Moos und Hölzern verschlungen werden...

Oft bin ich von den Luftaufnahmen verblüfft, die Mayr mit seiner Drohne machen kann, weil das eine radikal andere Perspektive eröffnet, wenn man über Flüsse und Wälder nachdenkt. Es scheint mir durchaus passend, daß ich mich selbst meist als geradezu klein erlebe, wenn ich im Gestrüpp umgehe. Alles überragt mich dort draußen, manches faßt nach meinen Füßen oder Waden, überall: schauen, schauen, schauen.

In mein Büro zurückgekehrt habe ich dicke Bündel von Bildern und Gedanken zu sortieren. Zugleich bringt mir meine Kolumne über den Rechtsruck im Kulturbetrieb tröpfelnd Reaktionen ein. Die meisten Leute scheuen es offenbar, das Thema öffentlich zu debattieren. Das ist der alte Vorteil rechtsgerichteter Kräftespiele.



In der Stubenbergklamm

Vieles verbleibt völlig im Raunen und im Andeuten. Darin liegt eine spezielle Herausforderung für die Demokratie. Wo sich politische Kräfte etablieren, die zum Teil eindeutig demokratiefeindlich anklingen, aber es läßt sich nicht ohne weiteres dingfest machen, weil eben die Aussagen nebulös bleiben, sind wir besonders gefordert.

Freilich läßt sich sowas entschlüsseln, denn wir wissen um die Funktionen von Kontext und Subtext, können mit Symbolen umgehen, mit symbolischem Denken, mit bewährten Codes. Ich gebe Ihnen ein Beispiel was ich mit Raunen und mit dem Nebulösen meine. Dieser Tage bekam ich Post aus dem Kern der Gleisdorfer „Trefferei“, über die ich zu berichten angefangen hab. Da heißt es zum Beispiel:



Schrauben-Turbine an der Feistritz

„Die Demokratie, ist als selbst-bestimmendes Element, moderner, aufgeschlossener, urbaner und homogener Lebensgemeinschaften, im besten Fall aller sozialen Schichten und Gewichten, im Glauben an das gute im Leben und frei von zerstörerischen Einflüssen, hierarchischer Ableitungen, überbordenden Einflüssen, der Gestaltungsebene, unseres Landes, wie wir es die letzten Jahre, erleben mussten, auch in keinem vergleichenden Geschehen, über den Zeithorizont der Nachkriegszeit hinaus, die Bastion von erhaltender Zivilisation. Oder? JA!“

Ich habe jetzt rund 60 Jahre der permanenten Lektüre hinter mir, hab in meiner bisherigen Lebensspanne eine stattliche Bibliothek verschlungen, doch es gelingt mir an Deutung hier kaum mehr als der Verdacht: Da streut mir jemand Sand in die Augen. Dieses Statement sagt eigentlich gar nichts.

+) Rechtsruck im steirischen Kulturbetrieb
+) Feistritz. Werke.