24. April 2023

Aber die Kommunisten!

Ich erlebe nun innerhalb eines überschaubaren Zeitfensters zum zweiten Mal, daß die KPÖ nach einer Wahl in eine Stadtregierung einzieht, während die dort vorherrschende ÖVP Einbußen kassiert. Erst in Graz, nun Salzburg.

Dabei wiederholt es sich, daß steirische ÖVP-Kräfte die KPÖ explizit oder implizit mit dem Stalinismus assoziieren, Schreckensbilder zeichnen, mir aber nicht erklären, woran das Absacken der ÖVP liegen mag.


Ich verstehe diese Posen, denn Wahlkampf lebt von Propaganda und nach der Wahl ist vor der Wahl. Aber da wir gerade auf den 8. Mai zugehen, als 1945 der Faschismus bei uns zwar militärisch geschlagen wurde, doch ideologisch überlebt hat, interessiert mich natürlich, wie etwa oststeirische ÖVP-Kräfte mit Fragen zum Totalitarismus umgehen.

Kleiner Einschub
ich hab an Polemik keinerlei Interesse. Ich erwarte von Mandatstragenden intellektuelle Selbstachtung und jene Art von Redlichkeit, die mich ein Fließgleichgewicht zwischen ihrem Denken, Reden und Tun annehmen läßt.

Konkret
Der Gleisdorfer Gemeinderat Wolfgang Weber kommentierte gestern auf Facebook: „Fast 40% Extremisten … was kommt da auf uns zu?“ Damit meinte er die Salzburger Wahlergebnisse von FPÖ und KPÖ. Ich lese das erfreut, denn wir haben im Raum Gleisdorf eine klare Repräsentanz von Neofaschisten. Die kommen nicht erst auf uns zu, die sind schon da. Also?

Wenn es im Gleisdorfer Rathaus Aufmerksamkeit für derlei Phänomene gibt, soll mir das recht sein. Doch nun habe ich ein paar Fragen zur aktuelle Lage etablierter Politik. Mein Wissensstand bezüglich historischer Wurzeln und der Entwicklung im 20. Jahrhundert besagt:
+) Marxismus plus Revolution = der Kommunismus.
+) Marxismus ohne Revolution = die Sozialdemokratie
+) Ist das zutreffend oder nicht?



Genauer: Die Sozialdemokratie ging ebenso aus der Befassung mit dem Marxismus hervor wie der Kommunismus, unterschied sich aber essenziell darin, daß die Kommunisten einst eine Revolution herbeisehnten, die Sozialdemokraten auf diese Option verzichtet haben.
+) Ist das zutreffend oder nicht?

Ich bitte um Auskunft...
...in welchen Punkten es jemandem angemessen erscheint, die Grazer und die Salzburger Kommunisten nun mit dem Stalinismus zu assoziieren. (Propagieren sie eine Revolution und die Versklavung von Menschen?) Das müßte man ja darlegen können, wenn mir etwa Stefan Helmreich via Massenmedium mitteilt: „Es ist eine Schande für Österreich, dass der Kommunismus nicht verboten ist.“

Wenn nun die Sozialdemokatie Österreichs den Karl Marx als historisches Phänomen hinter sich gelassen hat und auch nicht mit Stalin assoziiert werden kann, aufgrund welcher Fakten ist das bezüglich der Grazer oder Salzburger Kommunisten aber angemessen?

Wenn schließlich solche Kontinuitäten angenommen werden müssen, wäre dann die 1945 gegründete ÖVP in solchem Sinn mit dem „Korneuburger Eid“ zu assoziieren? Wäre Dollfuß ein christlichsoziales Äquivalent zu... Stalin? Denn wie er wirken wollte, kann man erhaltenen Dollfuß-Reden entnehmen.



(Quelle: ORF)

Alles andere bliebe Spekulation, da er 1934 von Nationalsozialisten ermordet wurde. Aber es ist evident, daß Dollfuß mit einer Synthese von Katholizismus und italienischem Faschismus befaßt war. Wurzelt unsere ÖVP darin oder doch nicht? Und falls nein, weshalb sind das qualitativ andere Wurzeln als jene der SPÖ oder der Kommunisten?

Ich halte es daher für angemessen, nach geistigen Wurzeln und Hintergrundfolien zu fragen, wo in Österreich etablierte Parteien teilweise in einer klaren Systemkonkurrenz zueinander aufgestellt sind.

Daher auch meine konkrete Frage an Kräfte der ÖVP: Sollen wir politische Formationen heute vor allem in ihrer Entwicklung nach 1945 messen und ihre aktuellen Handlungen beurteilen? Oder nehmen wir uns dafür das gesamte 20. Jahrhundert vor? (Ich hielte sachlich aufschlußreiche Antworten für unverzichtbar.)

+) Rechtsruck