27. März 2023

Das Recht auf billige Unterhaltung

Was der Alltag so mit sich bringt... Ich wurde gestern darauf aufmerksam gemacht, daß ich Amerika schreibe, wenn ich die USA meine. Das hatte ich völlig aus den Augen verloren. Der Doppelkontinent ist von einer ganzen Reihe höchst unterschiedlicher Nationalstaaten belegt. Die USA sind bloß einer davon. (Die Nord-Süd-Achse mißt rund15.000 Kilometer.)

Zugegeben, ich empfinde Genauigkeit als Bürde. Aber sie bleibt eine der wichtigsten Demarkationslinien zwischen dem Boulevard und jenen Terrains, die mich interessieren. Das heißt nicht, ich wäre ohne Gefallen an billiger Unterhaltung. Im Gegenteil! Die brauch ich täglich.

Der Grund ist einfach. Mein Denkvermögen reicht pro Tag keine 24 Stunden weit, keine 20, und ich finde Hausarbeit so quälend langweilig, daß ich verbleibende Tageszeit anders zubringen muß, sobald mein Kopf auf Pause schaltet.


Ich beneide Menschen ein wenig, die den Antrieb haben, ihren Haushalt so zu betreuen, als hätten sie Personal, welches ihnen diese Arbeit abnimmt. Wir, soweit wir Nachfahren der Subalternen sind, wahlweise von einem sozial abgerutschten Kleinbürgertum herkommen, sind von solchen Aspekten des Aufstiegswillens imprägniert. Aufgeräumtheit. Disziplin, Selbstbeherrschung. Saubere Codes. Solider Besitz an materiellen Dingen. Das wird mindestens in Derivaten gepflegt. Und wer zu all dem nicht genug Geld nachhause bringt, muß mit Ächtung rechnen, mindestens mit Verachtung.

Ich erinnere mich gut, was sich zeigte, als ich in den letzten Jahren einmal mehr finanziell am Rande meiner Möglichkeiten stand, weil sich die Bedingungen des Kulturbetriebs spätestens ab 2015 sprunghaft verhärtet hatten. Die Budgets verfielen, wurden rasant knapper. Der Wettbewerb ging hoch wie eine Bombe. Das war in meinem Metier aber kein Anlaß, um eigenes Verhalten an geäußerten Ansprüchen zu überprüfen.

Da war dieser Moment, als jemand Vertrauter ganz in meiner Nähe meinte: „Oh, der große Krusche kann sein Brot nicht mehr verdienen.“ Diese Art von Zynismus und Hohn selbst innerhalb von Naheverhältnissen blieb keine Ausnahme. Aber das ist eigentlich völlig banal. Wir Kinder und Enkel von Untertanen werden uns ab und zu klar machen müssen, daß Aufstiegswille seit jeher von Niedertracht begleitet wird.

Wir dürfen uns ja eigentlich glücklich schätzen, innerhalb der Menschheitsgeschichte zur passenden Zeit den passenden Geburtsort erwischt zu haben. Was wir bisher erleben und konsumieren durften, ist die pure Fülle und keineswegs der weltweite Normalfall. Mehr wird es unter Garantie nicht werden.

Ich mochte annehmen, das sei erstens klar und könnte zweitens die Basis eines stabilen kooperativen Verhaltens sein, das zumindest in nennenswert großen Nischen dominiert. Na gut, dann nicht. Falls wir es schaffen sollten, die Untertanen aus uns herauszuwaschen, dauert es wohl noch ein paar Generationen.

Derweil werden also weiterhin Aufstiegswillige Teile des Lebensstils höherrangiger Kreise kopieren und Teile von deren inhaltlichen Konzepten simulieren. Die Nischen können deshalb nicht verhindert werden, auch wenn sie kaum die Quelle von nennenswerter Wirkmächtigkeit werden können. Es werden auch weiterhin Begriffe gekapert und Vorhaben gefälscht werden,. Wie sagte der Volksmund? Fake it till you make it! Ich habe dafür eine General-Metapher. Der Buddha. Beachten Sie einmal, wofür Buddha-Statuen alles herhalten müssen.

Jeder Dorfdepp, der sich nach einem Publikum sehnt und dabei tiefgründig erscheinen will, stell sich einen Buddha hin. So ist es auch mit Versatzstücken aus Kunst und Kultur. Ich bin dagegen lieber für ein klares Bekenntnis. Ich bin für das Recht auf billige Unterhaltung. (Und zum Nachdenken gehe ich eben in den Keller, da stört das niemanden.)