2. März 2023

Der hybride Krieg III

Wir werden uns vermutlich einigen können, Europa erlebt derzeit eine Kombination aus kaltem Krieg, heißem Krieg, Medienkrieg und Wirtschaftskrieg. Zum Aspekt des kalten Krieges gehören ideologische Konfrontationen, von denen ich quer durch westeuropäische Gesellschaften höre. Politische Kontroversen in der Zivilgesellschaft und in den Parteien.

Ich halte überhaupt nichts vom Topos „Spaltung der Gesellschaft“. Worin und weshalb sollte eine ganze Gesellschaft einer Meinung sein? Hier plärrt jemand „Weg mit der Diktatur!“ Da plärrt jemand „Weg mit der Demokratie!“ Das ergibt eben Klärungsbedarf.

Mein Augenmerk liegt da hauptsächlich auf Deutschland, Frankreich und Italien, aber auch in Österreich sehe ich neofaschistische Kräfte am Werk, teilweise sogar im Rahmen etablierter politischer Parteien. Was ich früher von den Niederlanden bis Norwegen in solchen Belangen zu hören bekam, erreicht meine Wahrnehmung derzeit nicht wird, wird aber wohl kaum verschwunden sein. (Orban? Erdogan? Assad ist auch noch im Amt.)


Es gibt eine rege Vorgeschichte russischer Bemühungen, die politischen Formationen und die Zivilgesellschaften westlicher Staaten Europas in Unruhe zu versetzen. Das betrifft nun Bereiche, die wir alle mitzuverantworten haben. Ich kann nicht feststellen, daß demokratische Kräfte und kulturelle Kreise sich ausreichend mit dem Erstarken der Neuen Rechten befaßt hätten.

Was seit den 1980er Jahren laufend an Rechtsruck zu bemerken war, hätte eine kontinuierliche Präsenz von Gegenpositionen in den öffentlichen Diskursen und in allen denkbaren medialen Situationen brauchen können. Das haben wir nicht geleistet.

Am Beispiel Gleisdorf kann ich sogar „Pickerl-Kampagnen“ im öffentlichen Raum belegen, in denen zwei Interessensgruppen auffallend dominieren. Rechtspopulistische beziehungsweise rechtsradikale Formationen und angriffslustige Fußballfans prägen den Gleisddorfer „Sticker War“. (Gut denkbar, daß diese Kreise Überschneidungen haben.) [Pickerl-Match]

Eine Conquista
Aber zurück zur Krieg Rußland gegen Ukraine. Soldaten und eine Soldateska verschiedener Farben bekämpfen einander, private Widerstandsgruppen sind aktiv, es sterben nicht bloß Kombattanten. In völliger Mißachtung aller Kriegs- und Menschenrechtskonventionen werden Zivilpersonen gefoltert und ermordet, werden zivile Ziele angegriffen und zerstört.

Grafik von Heinz Payer (Ausschnitt) [Vollbild]

Wir konnten das in anderer Dimension schon am Untergang Jugoslawiens beobachten. So weit ich mich erinnere, hat es von meinen Leuten kaum jemanden interessiert. Was also schert uns das ukrainische Debakel? Wir alle setzen uns zunehmend großen Gefahren aus, wenn wir solche Entwicklungen in anderen Ländern ignorieren.

Aktuell ist nicht bloß über Kriegsverbrechen zu reden, wie sie von regulären Verbänden und von Söldnern begangen werden. Es geht auch um Territorialgewinne auf Kosten eines souveränen Staates. Und es geht um ethnische Säuberungen. Das wurde im ehemaligen Jugoslawien versucht. Die Konsequenzen waren entsetzlich. Das wird nun von Putins Rußland versucht. Wenn die Russen damit durchkommen, ist ein Ende solcher Conquista nicht abzusehen.

Das wird unverhüllt avisiert. Das wird auch bei uns jenen Leuten, die dafür empfänglich sind, mitgeteilt: „Die Demokratie muß weg!“ Reden wir davon, daß es von Dugin bis Putin ganz offen darum geht, „westliche Werte“ und demokratische Systeme zu diskreditieren, dem eigenen politischen System weltweit mehr Gewicht zu verschaffen. So sieht das ja auch das orthodoxe Kirchenoberhaupt Rußlands, Patriarch Kyrill I.

Genau das korrespondiert mit dem internen Strategiepapier der Kommunistischen Partei Chinas, nämlich mit dem „Dokument 9“ (jiǔhào wénjiàn), von dem Sie hier eine englische Fasssung finden: [Quelle]

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