28. Februar 2023

Der hybride Krieg

Ich hab keine Lust, mich öffentlich über diesen Krieg zu äußern, bloß um Betroffenheit oder Unruhe mitzuteilen. Ich will mich in der Welt, wie sie mich umgibt, zurechtfinden können, ohne in Angst erstarren zu müssen. Dazu brauche ich die Möglichkeit, all das zu sortieren, was mich an Informationen erreicht hat; um es mit meinen Ansichten abzugleichen.

Das klingt fast pathetisch und ist doch eine simple Aufgabe, die unaufgeregt erledigt sein kann. Dazu wünsche ich mir ein Umfeld, in dem solches Sortieren leichter fällt, weil auch andere nicht einfach zetern, sondern individuelle Entwürfe zur Debatte stellen. Entwürfe einer eigenen Einschätzung des Status quo. Und wozu?


Ich muß zu brauchbaren Schlüssen kommen, was der Stand der Dinge für uns und für mich bedeutet, worin genau ich dabei handlungsfähig werden kann. Im Sinn von: was gibt es jetzt für mich zu tun?

Ich will das mit anderen erörtern können. Ich muß die Kontraste besser erkennen. Ich will auch möglichst gelassen da und dort in Differenz bleiben. Das heißt, ich rechne unausweichlich mit Dissens in etlichen Punkten, mit unvereinbaren Standpunkten. Mir scheint, das wäre schon ein erstes Tun: sich mit der Differenz einzurichten, statt einem Phantasma zu dienen; nämlich der unsinnigen Idee, daß Wahrheit erscheinen könne, wenn man genug Widersprüche eliminiert.

Genau das, behaupte ich, ist ja einer der Gründe für die Aggression, für den Angriff: Widersprüche eliminieren. Mir scheint, daß wir den Krieg von unseren Positionen aus vertiefen würden, falls wir Antwortvielfalt nicht zulassen.

Was das meint? Na, zum Beispiel, daß ich kein Pazifist bin und so a priori im Kontrast zu vielen Menschen stehe, die aktuell pazifistische Positionen vehement einfordern. Ich habe die Worte „Der hybride Krieg“ als Überschrift gewählt, weil ich überzeugt bin, daß wir Krieg haben, daß wir in Österreich davon nicht ausgenommen sind, weil Krieg heute etwas sehr Komplexes ist, enorm weit reicht, ganz unterschiedliche Ereignisfelder hat.

Das läßt sich mit dem Kontrastpaar „Kalter Krieg/Heißer Krieg“ nicht mehr hinreichend beschreiben. Ich muß mir aber diese Situation erklären können, muß sie verstehen, damit ich zu brauchbaren Schlüssen komme, was nun meine Aufgaben wären, was ich zu tun hätte; eben WEIL ich mich für einen Teil des Kriegsgeschehens halte. (Ich werde das noch genauer erläutern.)

Ich denke, wir haben sogar beigetragen, daß es so weit kommen konnte. Das sehe ich zum Beispiel in jener Ignoranz begründet, mit der meine Leute ab den späten 1980er Jahren darauf reagiert hatten, daß sich eine Neue Rechte quer durch Europa entfaltet und etabliert. Das war ab den ersten 1990er Jahren nicht nur klar, sondern auch in Details dokumentiert.

Ich hab das in meiner Kolumne „Diskurs: Demokratie“ auf der Kunst Ost-Website ausführlich beschrieben. Diese Ignoranz hat sich bei den Gleisdorfer Umtrieben im Corona-Kontext, also wenigstens 30 Jahre danach, erneut manifestiert. Russische Akteure waren dabei immer im Spiel, um auf westliche Politik in allen denkbaren Bereichen, auf allen Ebenen, Einfluß zu entfalten. Auch das ist gründlich dokumentiert.

Dieser Status quo muß jetzt nicht beklagt oder kritisiert werden, weil sowas nutzlose Posen sind. Stattdessen wieder einmal Michael Crighton, aus einem seiner Romane salopp zitiert: „Lösen Sie nicht die Schuldfrage, lösen Sie das Problem!“

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