21. Dezember 2022

Auf der Bremse

Meine Projektarbeit ist inzwischen völlig ins Stocken geraten. Ich hab ein Weilchen gebraucht, um zu kapieren: das ist nicht die schlechte, das ist die gute Nachricht. Irgendwann hat sich jedes Kräftereservoir erschöpft, was eine Ruhephase nahelegt. Aber das Denken ist ja keine Mühe. Das Schreiben... denkste! Es hat sich nun empirisch geklärt. Ich fahre mit der Energie eines Restpostens.

Meine Schlafstelle liegt fast genau unter meinem Schreibtisch, an der selben Wand nach Süden. Das kommt, weil meine Bleibe zwei Etagen hat. Vom Bett zur Küche, von der Kaffeekochstelle ins Büro, das läßt nach dem Schlaf eine elegante Bewegung zu.


Gestern, der erste Anlauf: nach rund zehn Minuten am Schreibtisch ein derart massiver Schweißausbruch, daß ich abbrechen mußte. Ich ließ etwa einen halben Tag vergehen, zweiter Anlauf: nach rund zehn Minuten am Schreibtisch ein derart massiver Schweißausbruch, daß ich abbrechen mußte.

Ich bin ja nicht doof. Damit war klar, daß der Arbeitstag gelaufen ist. Heute also der nächste Versuch einen Arbeitstag zu haben. Und zwar auf einem Schleichweg. Zuerst ins Bad und einen Wäschedurchgang gestartet, weil der wirklich sehr dringend war. Keine Ahnung, wie weit ich nun am Schreibtisch kommen werde.

Es sind ja nicht bloß die letzten Tage, sondern die letzten Wochen, die mich etwas zermürbt haben und Gelegenheit schufen, meine Grenzen genauer auszumachen, neu zu markieren. Ich gehöre nicht zu jenen gelassenen Wesen, die solche Klarheiten mit einem milden Lächeln entgegennehmen. Ich bin der mühsam zivilisierte Rabauke, dem das Altern nach und nach jene Mittel aus der Hand nimmt, die einst für ein launiges Gefühl von Souveränität und für schlagende Probleme sorgen konnten.

Das ist keine „Altersmilde“, sondern eher etwas Darwinistisches. Allerdings mit einem Aspekt, den ich längst sehr mag. Ich hab keinen Gefallen mehr an Konflikten, an Kampfsituationen. Mein einstiger Wappenspruch „Nur keinen Streit vermeiden!“ hängt samt dem Wappen im Archiv.

Mit meinem Leben ist es so wie mit den Windows-Updates. Die Paradigmenwechsel drücken nie im passenden Moment an. Wenn sich Neues abzeichnet, finde ich das störend. Ich arbeite am liebsten mit einem vertrauten System, das überschaubare Macken hat. Ich nehme mich dabei als antiquiertes Wesen wahr. Aber das ist eine luxuriöse Art der Gefühslduselei.

Momentan ist es vor allem die Winterkälte, die etliche der verheilten Brüche in meinem Leib besonders zum Blühen bringt. Das reicht in der Intensität manchmal an einen frischen Bruch heran, so heftig kann es werden. Da macht man die große Klappe dann am besten gleich wieder zu, wird sehr still, hält die verfügbaren Kräfte beieinander und erinnert sich vielleicht etwas wehleidig an diese radikalen Momente, in denen das Leben eine irreversible Wendung genommen hat.

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