18. Dezember 2022

Das Küchenrollenmassaker

Die Sonne mag sich nicht durchsetzen, der Winter kommt auch nicht richtig in die Gänge. Naja, kalt genug wäre es jetzt schon. Ich rüttle an meinen Möglichkeiten. Primo: Mit Wollsocken im Bett, das geht gar nicht. Jetzt aber schon. Secundo: Nach Tagen wieder ein Kübel Kaffee. Der Flash bleibt bescheiden.

Eine Laune der Natur hat jüngst aus meinem Blut Eiswasser gemacht und mich gekrümmt. Wie einem hinkenden Tänzer waren mir nur kurze Strecken möglich, was meint: wenige Meter. Ich lebe in einer beheizten Wohnung, habe Vorräte und die nötige Stille, auch Abgeschiedenheit, weil man in manchen Zuständen nicht gesehen werden möchte.



(Moni Lafer schmückt ihren Baum und schickt mir Genesungswünsche)

Ich war einigermaßen irritiert, wie sehr Kälte weh tun kann, sobald ich unter der Decke hervorgekrochen bin, wobei es in meiner Hütte nicht kalt ist. Das bedeutet, mein Zustand war so erbärmlich. Natürlich stelle ich mir vor, ich hätte in eben diesem Zustand nun, ohne angemessene Winterbekleidung, Tage in einem unbeheizten Zelt zubringen müssen. Keine Rückzugsmöglichkeit, ohne alle Annehmlichkeiten, ohne Trost. Das braucht nicht gar so viel Phantasie, um am Gedanken, sich erhängen zu wollen, eine Weile festzuhalten.

Der Schüttelfrost hat übrigens eine bemerkenswerte Funktion. Er begleitet das Fieber, um die erhöhte Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, dann das hilft dem Organismus, zu bekämpfen, was mein Immunsystem getriggert hat. Muskelzittern und Zähneklappern sind Ausdruck dieser Leistung.


Man muß also nicht unter Nobelpreis-Verdacht stehen, um zu kapieren, daß fiebersenkende Maßnahmen bestenfalls Ultima Ratio sind, falls das Fiebern lebensbedrohend wird. Daher: aussitzen und ein begleitendes Küchenrollenmassaker in Kauf nehmen, denn man wird zum frierenden Feuchtbiotop.

Wann immer ich die letzten Tage aus meinem textilen Iglu herausgekrochen bin, wenigstes eine Decke um die Schultern, ein seufzender Fetzen-Golem, habe ich üben könne, welche Posen den Schmerzpegel absenken, sobald das Gscher losbricht. Nämlich 1) Husten = sehr übel. 2) Niesen = übel. 3) Lachen = geht so.

Also habe ich Hannibal Lecter wieder von meiner Liste gestrichen, denn ich finde Mads Mikkelsen in der Rolle weit fürchterlicher als Anthony Hopkins. Ist nicht zum Lachen. Während ich aber aus sicherer Position solchen Plauderton anschlage, kommt ein Hubschrauber übers Haus. Das ist unmißverständlich. Es gibt beim Gleisdorfer Bad einen guten Landeplatz und hier in der Rathausgasse.

Also ist eben jemand ins Unglück gestürzt. Noch dazu in Sichtweite, wie sich zeigt. Sowas löst in mir eine tiefe Traurigkeit aus, denn ich kenne ja den Weg, der einem dann noch offensteht, aus eigener Erfahrung. Also werde ich im Büro ein paar Handgriffe tun, mir dann einen Topf Tee brauen und mich wieder in meinen Textil-Iglu verkriechen.

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