23. November 2022

Widersprüche


Ich wurde noch nie für einen Naturliebhaber gehalten. Das kommt in meinem Selbstverständnis auch nicht vor. Aber es bleibt mehr als deutlich, daß es mir gut geht, wenn ich unter freiem Himmel herumsteige. Ich mag sogar mieses Wetter, mag es , wenn zum Beispiel kalter Regen auf meine Nase britzelt, stecke dabei aber vorzugsweise in meiner dicken Jacke, mit der ich vermutlich jede Zombie-Apokalypse überstehen könnte.


Dabei bin ich eigentlich gerne in meinem Bunker. Ich lebe in Widersprüchen. Die magische Route zwischen meiner Küche (mit der Kaffeekanne), dem Büro und meiner Couch, die eine gepolsterte Rückwand hat, so heimelig wie eine Panzerplatte. Diese Nischen meiner Zuversicht sind auf zwei Stockwerken übereinander angeordnet und nur selten bekommt hier jemand Zutritt. Mein Bunker und die freie Natur. Wie sehr ich beides brauche. Aber es liegt gewissermaßen eine unsichtbare Barriere vor meiner Wohnungstür, über die zu steigen mir sehr mühsam erscheint.


Ich habe meine Arbeit an faszinierenden Themen. Ich hab dabei mit einigen Menschen zu tun, die ich als achtsam erlebe, was mir großes Vergügen bereitet. Wo sich unterschiedliche Kompetenzen gemeinsam zur Wirkung bringen lassen und sich dabei niemand einseitig in den Vordergrund drängt, laufen selbst anstrengende Abschnitte erfreulich.


Wenn sich überdies niemand eher tatenlos (aber wichtigtuerisch), an Trittbrettern festkrallt, um gratis mitzufahren, dann können gemeinsame Vorhaben recht mühelos stattfinden. Dort aber, wo sich Mühe zusammenbraut, sind dann bei verteilten Lasten meist gute Lösungen möglich. Ist daran irgendetwas unverständlich? Ist daran irgendetwas schwierig zu realisieren? Sicher nicht!


Freaks, Maulhelden, Wichtigtuerinnen und Marktschreier, Trittbrettfahrer... Menschen sollen sein, wie sie wollen. Aber wenn ihnen die Achtsamkeit egal ist, dann bitte weit weg von mir. Das erinnert mich übrigens an ein langes Gespräch mit einem vormaligen serbischen Panzerkommandanten, der unter anderem in Vukovar eingesetzt worden war. Von ihm hab ich diesen Satz behalten: „Svaka vama čast, al' što dalje od naš!“ Das bedeutet ungefähr: „Alle Ehre für Euch, aber weit weg von uns!“


[Kalender] [Reset]