19. November 2022

Ömpörung


In Fürstenfeld ist es die Feistritz. In Feldbach die Raab. Die Hartberger Safen ist Teil des Gewebes an Gewässern, das mich eben beschäftigt. Die verbindet sich mit der Pöllauer Safen. In Fürstenfeld ist es die Lafnitz, wie auch in Neudau, wo ich mit der vormaligen Textilfabrik befaßt bin. In Gleisdorf ist es, wie in Feldbach, die Raab.

Zu diesem Koordinatensystem gehören naturgemäß allerhand Brücken, die aus verschiedenen Zeiten stammen und eine bemerkenswerte Formenvielfalt zeigen. Das ist eigentlich ein eigenes kulturgeschichtliches Thema. Brücken. Ich nehme an, für Europa einer der zentralen Anlässe, um über Jahrtausende Ingenieurskunst zu entwickeln.



Die Raab auf der ungarischen Seite

Ich vermute, daß Jäger und Sammler mindestens Baumstämme für Flußübergänge genutzt haben und ich wüßte zu gerne, ob sie Seile fertigen konnten. Mit der Baukunst ist es etwas einfacher, denn zum Beispiel die Anlage von Göbekli Tepe ist aus so massiven Steinen gebaut, denen können Jahrtausende nur wenig anhaben. (Seile verrotten aber naturgemäß beizeiten.)

Ich wurde kürzlich gefragt, ob ich denn angesichts der Kriegssituation, der Klimaprobleme und der nächsten Flüchtlingsströme keine anderen Sorgen und Themen hätte. Diese bornierte Haltung kostet mich nur ein müdes Lächeln. Ich kenne solche engstirnige Anmaßung zur Genüge, in der mir jemand relevante Themen zuruft, um vor allem sich selbst mit besonderer Wichtigkeit zu kostümieren; und ist dann doch oft vor allem eine erregte Problem-Trompete ohne fundiertes Wissen zu wenigstens zwei, drei der vorgetragenen Sorgen-Schwerpunkte, sondern auffallend oft ein One Trick Pony.



Gleisdorf West

Solche Ömpörung halte ich für das Karaoke von Wichtigtuern. Eine Kernkompetenz der neuen Bourgeoisie. Ich erkläre das gerne. Wenn ich einen ersten Katalog weltweit relevanter Themen erstelle, die erstens von Menschen im Unglück handeln und zweitens unsere Zukunftsaussichten verfinstern, auf wie viele Positionen werde ich da kommen?

Also zum Beispiel der Kongo, wo vor über hundert Jahren der Kautschukreichtum zu einer belgischen Schreckensherrschaft über die Einheimischen führte, wo aktuell seltene Erden ähnliche Effekte zu Lasten der Bevölkerung auslösen. Oder Billigtextilien und Kinderarbeit. Oder das Verkaufen von Frauen. Oder Formen einer völlig unakzeptablen Massentierhaltung. Oder Flächenversiegelung, Wasserverschmutzung, der übermäßige Anbau von Energiepflanzen statt Nahrungsmitteln etc. etc. etc. (Und was ist mit den Uiguren in China?)



Gleisdorf Urscha

Wenn ich mir einen Tag lang Zeit nehmen darf, um die Liste zu verfeinern, hab ich die Position Nummer 50 sehr bald überschritten. Nun sagen Sie mir, wie vielen Themen sich ein Mensch kompetent widmen kann, um sie inhaltlich zu erschließen und dazu profunde Aussagen machen zu können! Wie viel an intellektueller und emotionaler Kompetenz kann jemand - neben der Alltagsbewältigung - aufbringen, um über brisante Themen von globaler Relevanz stichhaltige Aussagen machen zu können?



Takern (südlich von Gleisdorf)

Eben! Das werden keine zehn sein, vermutlich nicht einmal fünf. (So viel intellektuelle Selbstachtung muß sein!) Freilich hab ich auch zu all dem auch eine Meinung, die ich aber nicht via Medien ausstreuen muß. Diese schnatterhafte Ömpörung verachte ich. Dieses Geblöke ist Vergeudung. Außerdem gibt es genug Menschen in Österreich, die sich den Kopf über etwas von Belang zerbrechen können. Da suche ich mir meine bevorzugten Themen mit Verlaub selbst aus, eventuell auch welche, die Legionen von Ömpörten überflüssig erscheinen. Denn so geht Kultur. Alles hat Konsequenzen. Nichts ist egal.

+) Die Natur Mensch. Eine Annäherung
+) Die neue Bourgeoisie


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