Ein paar Splitter schwirren hier noch um mich herum. Es
bewegt mich, was ich gestern erfahren hab, daß es nämlich
einen „einsamsten Menschen der Welt“ gab. Keine
literarische Schöpfung, keine Kunstfigur, sondern ein realer
Mensch. (Sowas haut mich um.)
Ich kann es gar nicht
kommentieren. Ich starre bloß eines dieser Wortquartette an,
die derzeit kursieren: „Einsamster Mann der Welt
gestorben“. (NZZ)
Das wurde natürlich auch auf dem Boulevard ausgetragen.
Dort fand ich jüngst eine ganz andere Botschaft: „Nachfrage
nach Kunst ungebrochen“ titelte ein Nebenerwerbs-Genie, um
frohe Kunde aus Salzburg zu bringen.
Musiker Sigi Lemmerer kommentierte das bei mir treffend:
„Diese Headline besteht aus knapp zwei Zeilen. Somit haben
sie einen Subtext und der lautet: ‚Die Nachfrage nach
Touristik ist ungebrochen!‘ Eh okay! Nur - Kunst ist etwas
völlig anderes!“
Also das alte Problem mit der
verbogenen Semantik. Das Bezeichnende sucht sich ein neues
Bezeichnetes und wir werden derart auf eine falsche Fährte
geschickt. Das bot uns dieser Tage auch ein hochrangiger
Politiker Österreichs.
Nationalratspräsident Wolfgang
Sobotka (ÖVP) zeigte unglaubliche Chuzpe. Nach all den
Fehlleistungen und Malversationen, die uns politisches
Personal mehrerer Fraktionen in den letzten Jahren zugemutet
haben, gibt es naturgemäß ein Ringen um Stabilität.
Daß die ÖVP bei ihrer andauernden politischen
Vormachtstellung von ihrer Konkurrenz spürbaren Druck
erfährt, liegt in der Natur dieser Sache. Hier kämpfen
Interessensgruppen um den Zugriff auf Menschen und andere
Ressourcen.
(Quelle: ORF)
Es ist absolut würdelos, wenn Sobotka in diesem Kräftespiel,
einem Konkurrenzkampf, einen angeblichen
„Vernichtungsfeldzug gegen die ÖVP“ ortet. Diese
Sprachregelung spottet seinem Amt und ist das Gegenteil von
dem, was man als Ausdruck staatsmännischer Kompetenz deuten
könnte.
Solche Art larmoyanter Machtmenschen ist mir
mit ihrer Mischung aus Wehleidigkeit und Angriffslust mehr
als zuwider. Das ist, nebenbei bemerkt, ein vorzüglicher
Beitrag zum zunehmenden Rechtsruck Österreichs. Der Punkt:
Wenn man für etwas Banales (Wettstreit um Ressourcen) schon
den Maximalbegriff verwendet, haben wir keine Begriffe mehr,
um über Schlimmeres zu reden.
Postskriptum
Der
Bericht über den Tanaru-Mann hat mich an die bittere
Geschichte von Christopher McCandless erinnert, dessen
Schicksal Jon Krakauer in ein Buch gefaßt hat, woraus Sean
Penn 2007 den Film "Into
the Wild" machte.
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