Von Künstlerin Monika Lafer hab ich den Satz behalten:
„Das Hirn ist ein Minimalist.“ Es kam in einer Debatte
darüber vor, daß manche Menschen bloß das Nötigste leisten,
um eine Vereinbarung zu erfüllen; gelegentlich nicht einmal
das. Lafer meint, das sei evolutionär. Es ginge im Kern ums
Überleben. Was darüber nennenswert hinausreicht sei
eigentlich Luxus.
In der Praxis führt das eventuell
zum Motto: „Fake it till you make it.“ Pose zählt,
wird schon was dabei herauskommen. Lafer war, ich weiß jetzt
nicht, mehr tröstlich oder mehr unerbittlich darin, mir zu
verdeutlichen: Es ist doch nicht persönlich gemeint, wenn
mich wer übern Tisch zieht. Das ist rein geschäftlich. (Sie
hat wohl recht!)
Gut. Diesem Minimalismus im Handeln steht oft ein
Maximalismus im Spücheklopfen gegenüber. (Ich nenn das
„Superismus“.) The ulitmate..., the best ever…, the
greatest… Eh klar! Aber auch auf dem Kunstfeld? Da genauso!
Aufgefettet durch jenes Personal aus Verwaltung und
Management, das gerne auf unseren Trittbrettern mitfährt,
sich manchmal sogar über uns aufschwingt, denn sie sind ja
die besseren, die professionelleren Primärkräfte. („Das
Einzige was stört, sind die Künstler!“)
Übertreibung? Mag sein. Ich hab mich – dank
fortgeschrittener Läuterung – um Versöhnlichkeit bemüht und
bin (auf dem Weg über den Wald von „Fahrenheit 451“) bei
meiner Kontinentaltheorie angekommen, die sich im Sinn der
Evolution plausibel machen läßt. Dazu nutze ich Denkanstöße,
die ich vom forensische Psychiater Frank Urbaniok bezogen
hab. Stellen wir uns zwei idealtypische Urmenschen vor.
Der eine ist Realitätssucher, darum bemüht
Nuancen zu erkennen, Details zu unterscheiden. Er sucht zu
begreifen, was genau ihn umgibt und was der Fall ist. Der
andere ist ein verpeilter Paranoiker. Dank
niederer Reizschwelle bleibt er sein Leben lang etwas
schreckhaft. Als Liebhaber von Komplexitätsreduktion ist er
mit einem eher schlichten Weltbild ausgerüstet.
Das
sind die Stifter zweier gänzlich verschiedenen Kulturen, die
auf einem gemeinsamen Kontinent unvereinbar blieben. Also
mußten sich diese Kulturen zwei separate Kontinente suchen,
um sich zu etablieren, um zu bleiben. (In diesem Sinn ist
meine Kontinentaltheorie zu verstehen.)
Die Referenzsituation: es raschelt im Gebüsch. Der
Realitätssucher hat zu unterscheiden gelernt. Es ist der
Wind. Oder eine Gazelle. Oder ein Vogel. Oder ein Löwe. Oder
ein Nachbar. Oder Besuch von einem anderen Stamm.
Der
verpeilter Paranoiker denkt immer nur: „Löwe!“ und rennt.
Von ihm dürfte ein dominanter Teil unserer Leute abstammen,
denn der Realitätssucher deutet das Rascheln gelegentlich
falsch. Einmal war es dann der Löwe, das Wegrennen ging sich
nicht mehr aus.
Langfristig sind verpeilter
Paranoiker mit ihrer Komplexitätsreduktion und dem simpleren
Weltbild vermutlich der erfolgreichere Stamm. Denn, so
Lafer, das Hirn ist ein Minimalist.
+)
Der milde Levithan
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