9. August 2022

Landpartie

Müßte man nicht herumgehen, sondern könnte sich wie mit einem Atemzug von einem Raum zu nächsten überblenden, dann würde einem auffallen, wie sehr jeder Raum seinen eigenen Klang hat. Das sagte Germaine Sijstermans, als wir unseren Indoor-Wandertag in Neudau absolvierten.

Sijstermans ist Musikerin, Komponistin, also bezüglich der Klänge gewiß ganz anders in der Welt als ich. Ich sauge mich mit den Gerüchen der verschiedene Hallen voll und bin in die Licht-Schatten-Kontraste vernarrt. Ich hab mir angewöhnt, beim Gehen in solchen Anlagen hauptsächlich auf den Boden zu schauen und erst stehend nach oben zu blicken.



Joachim Eckl und Germaine Sijstermans

Auch hier gibt es laufend einerseits offene Luken, unter denen sich verschiedene Tiefen auftun, andrerseits Verankerungen und Gewindestangen, allerhand Fundamentreste, über die man stürzen kann. Gelegentlich tut sich eine Schacht auf.

Marcus Kaiser ähnelt mir darin, wie ein ruheloser Welpe die Wege zu kreuzen, Winkel aufzusuchen, Motive zu fotografieren, die ich ebenfalls ins Auge gefaßt habe. Auf dieser Ebene der Erkundung von Räumen ticken wir also in vergleichbarer Weise. (Wir werden später darüber reden, wie es wäre, wenn ihn diese Anlage verschlingen würde.) Aber wie sich zeigt, haben das Sehen und die Räume in ihm viel radikalere Verbindungen als ich sie kenne.

Abertausende Quadratmeter verbauter Flächen. „Beim Feuerwehrturm ist unser oberes Ende.“ sagt der Haushofmeister und ich weiß inzwischen, weshalb er eine leuchtstarke Taschenlampe mitgenommen hat. Hinter der Halle, in der wir gerade stehen, tun sich weiter 800 Meter auf, eine unglaubliche Kubatur, Halle an Halle.

Architekt Winfried Lechner hat es für uns arrangiert, daß wir Zugang bekommen und eine sichernde Begleitung haben. Dieser ganze Komplex: Ein müder und milder Leviathan, der hier unter dem harten Licht der Augustsonne kauert. Diese Hitze kam nicht einmal annähernd in alle Winkel seiner Eingeweide.



Marcus Kaiser

Querverbindungen. Kaiser hatte in Düsseldorf studiert, ist ein Schüler von Klaus Rinke, kennt daher Selman Trtovac. Der lebt in Belgrad. Wir haben schon einiges miteinander realisiert. Es ist nicht zu glauben, daß ich hier - am Ende der Steiermark - mit einem Künstler in diesem mechanischen Höhlensystem herumsteige und mit ihm über Selman rede.

Joachim Eckl ist über ein anders gelagertes Wahrnehmungssystem in dieses ganze Erlebnis eingefädelt. Es sind dann einzelne Sätze und deren Sinn, von ihm, von mir, die sich ineinander verheddern, wodurch ich sehe, worin wir uns einig sind.


Es ergibt sich eine besondere Magie, wenn in ersten Begegnungen völlig mühelos Resonanz und womöglich Übereinstimmung vorkommen, wenn sogar Interferenzen, die ein anregendes Bild ergeben, möglich scheinen.

Kein Zufall, daß ich hier auch in Kategorien der Musik spreche, über Resonanzen und Inferenzen. Bei Eckl scheint es, daß er all diese verschiedenen Codes aufnimmt, deutet, etliche davon auch selber nutzt, um sich zu äußern. Wie erwähnt, unser Rahmen: ein müder und milder Leviathan, der auf uns gehockt ist, während wir einander erkundet haben.

+) Der milde Levithan


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