Dabei nahmen wir das Leben durch, ließen alle möglichen
Facetten klappern und waren uns in manchen Punkten einig.
Zum Beispiel, daß Kinder unsere Schutzbefohlenen seien,
denen wir Rückhalt schulden. (Gabriel ist mein Sohn, konnte
dem Gedanken also leicht zustimmen.)
Ich lauschte, ob
da irgend ein leises Knarren oder Quietschen ins Gespräch
kam. Wie weiß man denn, was man als Vater für unerheblich
hielt, der Gschrapp es aber als Heimsuchung empfand? Väter
und Söhne. Zwei Welten, die sich verzahnen. Zwei
Perspektiven, die sich weder decken können, noch decken
sollen.
Michaela meinte, wenn Kinder eine
grundlegende Zustimmung erfahren, dann würden sie einem so
gut wie alles verzeihen. „Alles?“ fragte ich.
„Alles!“ bekräftigte sie. Ich sah meinen Sohn an, sagte
zu ihm leise aber bestimmt: "Verdammt, dann hab ich bei
dir noch ein Guthaben und kann dir was reinwürgen!"
Er revanchierte sich bei einem anderen Teilthema. Daß
man den Kindern was zutraut. Klar? Klar! Rückhalt.
Vertrauen. Das schien uns irgendwie unverzichtbar. Da haben
wir Konsens. Michaela: „Aber wenn er ein kleiner Nazi
wird?“ Gabe grinsend: „Dann ist er unser kleiner
Nazi.“
Sie ahnen, wie kauzig wir es haben, wenn es uns ein paar
Stunden durch die Stadt treibt. Es gibt freilich auch
Momente, in denen wir ernst sind, weil ernste Dinge allemal
durchschlagen, wenn der Tag lang ist. Zum Beispiel, daß
inzwischen mehr Zeit hinter mir als vor mir liegt. (Subject:
„Du rennst eh bloß noch herum, weil du die
Begräbniskosten sparen willst!“) Wie ich mir diesen
letzten Abschnitt eigentlich denke? Oder daß Michaela
sondierte, welche Art Opa ich wäre.
So alt kann man
nicht werden, da gibt’s immer noch was, das man zum ersten
Mal angeht. Und sei es das Finale. Fragte Michaela: „Wie
stellst du dir das denn jetzt vor, wenn du sehr alt bist?“
Ich sagte grinsend: „Beretta Neunmillimetta.“ Sie
konterte: „Red net so einen Blödsinn!“ Okay. Dann
eben wieder ernst…
Zum Foto, das sie von Gabe und mir gemacht hat, sagte sie:
„Schau, ihr seid genau gleich groß. Auf den Zentimeter.“
Ich dachte: „Verdammt, der muß doch schon größere sein.“
(Werd ich ihm aber nicht sagen. Kommt mir wohl nur so vor.)
Demnach ist er aus meinem Schatten herausgetreten.
Das ist gut so, denn Väter sterben mitunter daran, falls
sowas nicht gelingt: Aus dem Schatten des Alten
herauszutreten. Europas Mythen sind da unmißverständlich.
Genau! Oidipus. Prometheus hat dem Übervater Zeus auch
ziemlich nachhaltig die Plomben gelockert. (Nur die Pfeife
Daedalus kam so davon.) Wir sind inzwischen bei über 30 Grad
Außentemperatur angelangt. Ich geh mir jetzt einen Keller
suchen…
+)
Relationen (Familienkram)
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