In letzter Zeit hatte ich einige Gespräche, da tauchte stets
diese Überlegung auf, daß wir Menschen ganz wesentlich zwei
fundamentale Bedürfnisse haben. Das nach Autonomie und das
nach Zugehörigkeit. Autonomie heißt: sich selbst die Regeln
geben, heißt: Selbstbestimmung.
Was die Zugehörigkeit
angeht, hat uns Platon den Begriff des Zoon politikon
hinterlassen. Ich sag etwas schlampig: „Das politische
Tier“. Der Begriff meint ein Wesen, das zum Leben in
Gemeinschaft tendiert, das also die Zugehörigkeit meist
anderen Zuständen vorzieht.
Ich hab natürlich das
Gefühl, diese Dinge stünden in meiner Geburtsurkunde:
„Der braucht Selbstbestimmung und Zugehörigkeit“.
Kleingedruckt: „Und gelegentlich sehr viel Stille“.
Ich sortiere gerade lose Zettel. Eigentlich stehen meine
Notizen in Heften. Din A5, kariertes Papier. Alle anderen
Varianten kann ich nicht leiden. Und die Stifte mit blauer,
wahlweise roter Tinte. Keine schwarze, keine grüne Tinte.
Aber zwischendurch lose Zettel.
Auf einem davon sind
vier Worte notiert: "Rechtssicherheit,
Ernährungssouveränität, Verteilungsgerechtigkeit,
Menschenrechte". Meine Leute setzen das als gesichert
voraus und beschweren sich, wenn ihnen auch nur ein Teil
davon geschmälert erscheint.
Was sich dabei leicht übersehen läßt: Wer das für außer
Streit stehend erachtet, hat noch nicht kapiert, daß dieser
Katalog weltweit ein Minderheitenprogramm ist. Wie viele
Gemeinschaften mag es global geben, die das genauso sehen
wie wir? Sehr wenige. Ich meine, wir sind eine Minorität.
Und in dieser Anmutung, wir würden von „universellen Werten“
reden, sind wir eine Kuriosität.
Ich notiere das
nicht, weil ich solche Inhalte relativieren möchte, sondern
weil ich grüble, wie sich derlei Minderheitenprogramm
sichern ließe. Welche Konventionen wollen wir also mit den
verfügbaren Kräften vorrangig behandeln, etablieren,
sichern? Das interessiert mich vor allem angesichts der
Meldungen über die Details russischer Waffengänge.
Da
wird von ganz konkreten Leuten aus einiger Nähe alles an
Waffen eingesetzt, was das Arsenal bietet; auch geächtetes
Inventar. Da wird alles platt gemacht, was an Zielen
erreichbar ist. Da werden nicht bloß reguläre Einheiten
angegriffen, sondern auch Zivilpersonen jeglichen Alters.
Da wird völlig distanzlos vergewaltigt, gefoltert und
geschlachtet, werden also Menschen weit diesseits von High
Tech-Systemen in direktem Kontakt geschunden und
massakriert. Ich denke nun nicht speziell über russische
Leute nach, sondern über uns Menschen generell. Das alles
ist eine allgemeingültige Demonstration der Conditio humana.
Das betrifft uns ausnahmslos und sollte uns hinsichtlich
unserer Konventionen beschäftigen.
Was verlangt es
von uns, eine Gemeinschaft so stabil zu machen, daß diese
Art der Brutalisierung ausgeschlossen bleibt? Denn ich
denke, wir müssen für möglich halten, daß sich in ganz
Europa Personal für solche Greueltaten finden ließe, egal,
unter welcher Flagge die Leute stehen.
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und der Rest] --
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