5. Juli 2022

Stürme

Was ist nun der Fall? Mit welchen Erfahrungen und nach welchen Kriterien ziehe ich meine Schlüsse? In der Wissenschaft gilt als Faustregel: „Wir irren uns nach oben.“ Das bedeutet: Was als gesichertes Wissen gilt, muß stets neu in Frage gestellt werden. Denkweisen, die das ausschließen, sind unwissenschaftlich.

Ich hab in letzter Zeit öfter mit dem Sätzchen „Begründen statt verkünden!“ um mich geworfen. Ich vermisse in meinem Metier einen Ethos, wonach es selbstverständlich wäre, seine Ansichten zu begründen. Das Kulturvölkchen hat heute starke Anteile einer Anwaltskanzlei, die auf Strafsachen spezialisiert ist.


Da geht es nicht primär um Erkenntnisgewinn, sondern darum, die eigene Sache zu promoten und abzusichern. Einwände? Anfechtungen? Die werden nach Kräften weggeredet. Mich regt das längst nicht mehr besonders auf. Ich kann auch dafür ein Sätzchen aus der Tasche ziehen: „Menschen haben Interessen.“

Bei all dem halte ich es freilich immer noch für denkbar, daß ich aktuell dabei bin, meinen Verstand zu verlieren. So in der Tragweite: „Alles falsch!“ Es hatte sich zwischen 2010 und 2013/2014 öfter ereignet, daß mir solche Seufzer auskamen: „Ich falle aus der Welt!“ Da tat sich eine wachsende Kluft auf.


Spätestens ab 2015 verdichteten sich einige Eklats und 2018 wiederholte sich das Gscher. Fassen wir es so zusammen: Ich bin ein Problem. Naja, ein Teilzeitproblem. Manchmal auch ein Nebenerwerbsproblem. Das bedeutet, ich bin ziemlich damit ausgelastet ein Problem zu sein, muß aber nebenher auch noch ein wenig Geld verdienen.

Nein, keine Sorge! Ich hab hier keinen Kummer vorzutragen. Und falls ich Kummer hätte, würde ich ihn meinem Logbuch nicht aufbürden. Aber ich hab diese Stürme im Kopf, die mich gelegentlich aus dem Schlaf reißen oder sich sogar als eine Barriere vor dem Schlaf auftürmen. Ein Denken, das sich austobt.

Haben Sie schon einmal von der Marotte mancher Regisseure gehört, die während dem Dreh an einem Film allerhand Pausen nutzen, um sich erstklassige Filme hervorragender Kollegen anzusehen und mit vertrauten Leuten einzelne Sequenzen debattieren?

Wenn ich mich recht erinnere, hat es François Truffaut bei den Dreharbeiten zu „Fahrenheit 451“ (1966) so gemacht und zwischendurch Hitchcock-Filme gesehen. Ich halte es manchmal ähnlich. Während solcher Abschnitte vertiefe ich mich in wesentliche Filme; so wie gerade in Fellinis „La Strada“.

Seit den Abendstunden kommt in Schüben immer wieder der Regen an. Momentan ist alles um mich in einen steten Fluß des Regens eingehüllt. Das läßt mich an Akira Kurosawa denken…


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