Da entfaltete sich am Gleisdorfer Florianiplatz nun Arbeit
für Stunden. Ich blieb aus Neugier dabei, weil mich derzeit
immer wieder beschäftigt, wie das in Variationen herging,
wenn unsere Leute notwendige Arbeiten ohne Maschinen zu
bewältigen hatten. (Die Foto-Signaturen ersparten mir
handschriftliche Notizen.)
Vor dem Rathaus die neue
Drehleiter. Ein freundlicher Feuerwehrmann bot mir eine
Freifahrt an, auf daß ich zu einer interessanten Perspektive
für meine Fotos käme. Dreißig Meter in einem Vogelnest über
der Erde. Ich mußte dankend ablehnen.
Um zirka 15:00 Uhr wurde der Baum von den Leuten angehoben.
Rund zehn Minuten später war das unter Ende des Stammes
angespitzt und über der Grube. Ich dachte etwas schlampig,
der Maibaum ließe sich mit der Drehleiter anheben,
aufstellen und dann verkeilen. Dafür ist die Leiter aber
nicht gemacht. Und die Feuerwehrmannschaft besteht bei
dieser volkskulturellen Arbeit auf dem alten Modus. Das wird
von Hand erledigt.
Rundhölzer, die am oberen Ende Schlingen aus dicken Seilen
haben, sind das Hauptereignis des Hubwerks. Diese Schlingen
werden mit langen Feuerhaken um den Stamm gelegt und zu
Schlaufen gefügt, welche man dann eindreht, um die Schlaufen
zu straffen.
Dazu kommen einige Gabeln und Stützen.
Das geht dann schrittweise voran. In kleinen Abständen.
Etliche Schlaufen müssen dabei versetzt werden. Tempo ist
tabu. Die Routiniers wissen: ein Stamm bleibt immer
gefährlich. Das fängt schon beim Holzschlagen an im Wald, wo
der Baum sich in der Krone drehen und plötzlich die
Fallrichtung ändern kann.
Um 16:10 Uhr stand der Maibaum. Die Grube wurde zugeschüttet
und das Erdmaterial schichtweise verdichtet. Rund eine halbe
Stunde lang waren mit der Motorsäge Kerben in den Stamm zu
schneiden, um darin drei Stützen zu verankern. Die wiederum
wurden mit groben Hammerschlägen im Boden verkeilt. Knapp
vor 17:00 Uhr war alles an seinem Platz. Die Feuerwehrleute
formierten sich. Eine Abordnung der Stadtkapelle legte mit
einem Paukenschlag los.
Inzwischen war es 17:40 Uhr
geworden. Drei Stunden Arbeit, um den Maibaum an der
vorbereiteten Stelle in die Senkrechte zu bringen und zu
fixieren. Ich hab die Leute nicht gezählt, aber das macht
eine Menge Arbeitskraft nötigt. Man ahnt, was der Hausbau
einst an Zeit und Leuten verlangt hat, von einem Palais oder
eine Burg ganz zu schweigen.
Mir waren die drei Stunden übrigens sehr lang vorgekommen.
Vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, in welchem radikal
anderen Zeitschema wir heute leben. Es trifft ja auch zu.
Maschinen haben unseren Lebensrhythmus völlig verändert. Ah
ja, 1. Mai, Tag der Arbeit. Das hat eine Menge mit diesem
Thema zu tun.
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