29. März 2022
Punchline
Danke für diese Markierung, Will Smith, damit wir mühelos
sehen können, wo diese vorherrschende Männerkultur derzeit
noch steht. Auch die österreichische Presse-Headline hilft
uns bei der Orientierung. Katrin Nussmayr fragt: Will
Smith „rutscht die Hand aus“ - und wie reagiert Hollywood?
[Quelle]
So illustriert die Autorin das Problem mit jener
dummdreisten Floskel, die mir aus meinen Kindertagen derart
vertraut ist. Dieser Euphemismus drückt eine zynische Pose
aus. Der Aggressor gönnt sich seine Spannungsabfuhr durch
Zuschlagen, aber so viel „Mannhaftigkeit“ trauen wir ihm
dann doch nicht zu, daß es Vorsatz und Anmaßung gewesen sein
soll.
Nein, die Hand hat sich gewissermaßen dank eines
geheimnisvollen quantenphysikalischen Phänomens selbständig
gemacht, wurde durch einen ebenso geheimnisvollen
psychischen Effekt auf den Weg gebracht, wandelte sich zur
Rächerhand, um einen Beleidiger zu züchtigen. Ausgerutscht.
Ein Unfall. Nicht wirklich eine Verletzung unsere
zivilisatorischen Verpflichtung zum Gewaltverzicht.
So klingt dann auch eine Standard-Headline: „Der Eklat
bei der Oscar-Verleihung wirft mehrere Fragen auf – unter
anderem auch, ob Gewalt in solch einer Situation
gerechtfertigt ist…“ [Link]
Das hat Charme: Ob. Gewalt. In. Solch. Einer. Situation.
Gerechtfertigt. Ist. Wie könnte diese Rechtfertigung denn
aussehen? Ich sehe in der ganzen Angelegenheit keine Chance,
eine körperliche Attacke – diesen plumpen Ebenenwechsel - zu
legitimieren. Unmöglich! Was war geschehen?
Komiker Chris Rock hatte sich vor Publikum über den
krankheitsbedingten Haarausfall (Alopecia) von Jada Pinkett
Smith lustig gemacht. Wir erfahren nicht, wie die Frau hätte
reagieren wollen, um diese Zumutung zu beantworten. Das
hätte mich interessiert. Sie, das Ziel des unanständigen
Spottes, eine erwachsene Frau, war sicher nicht unerfahren,
wegen körperlicher Aspekte vorgeführt zu werden.
Ich
nehme das deshalb an, weil es in dieser vorherrschenden
Männerkultur fast ausnahmslos zu jedem Frauenleben gehört,
daß Männer sich anmaßen, ihre körperliche Erscheinung offen
wie ungeniert zu kommentieren. (Welche Frau wurde auf solche
Art noch nicht herabgewürdigt?)
Ich finde es außerdem
pikant, daß sich der Eklat zwischen zwei schwarzen Männern
entfaltet hat. Wer sich über körperliche Merkmale eines
Menschen herablassend lustig macht, pflegt eine Spielart von
Rassismus.
Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin selbst genuiner
Teil dieser Konzepte und Kräftespiele, frei von Erhabenheit,
was das Thema Gewalt betrifft. Ich war – wie hier schon
mehrfach erwähnt – noch nie Pazifist. Ich kenne diesen
Impuls zuzuschlagen, ich kenne die Gewaltphantasien, die von
einer Beleidigung getriggert werden. Für mich gilt, daß
dieses Potential unauslöschbarer Bestandteil meines
psychischen Repertoires blieb. Dieser Zug ist in mir nie
verstummt.
Eben deshalb – falls es auch für andere
Männer gilt – ist das Erkunden und Erproben kultureller
Blockaden solcher Kräftespiele unverzichtbar. Eben deshalb
finde ich so einen prominent aufgestellten Vorfall
unverzeihlich, weil er dem Bemühen einer kulturellen
Blockade von Gewaltbereitschaft mit unsagbarer Wucht in den
Arm fällt.
+)
Mai acht
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