3. März 2022

Stinger

„Eilmeldung: 141 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verurteilen den russischen Einmarsch in die Ukraine. Die UNO fordert Russland daher in einer Resolution zum Ende seiner Aggression auf. 35 Länder enthalten sich. Belarus, Eritrea, Nordkorea, Syrien und Russland lehnen den Beschluss ab.“ (Zitat: ORF, Zeit im Bild)

Angreifer sind eine Realität in menschlicher Gemeinschaft. Ich kann meines Wissens einem anrückenden Aggressor auf drei Arten begegnen. Erstens: ausweichen, abhauen. Zweitens: abschrecken. Drittens: entwaffnen.

Ad 1: Ich denke, auch Profis des Kriegshandwerks werden diese Variante bevorzugen, außer es gibt einen Auftrag, der das nicht zuläßt. Sie werden ausweichen. (Nur Deppen des Action-Kinos freuen sich auf einen Schußwechsel.)



Ein US Marine mit einer Stinger (Foto: Cpl. Joseph Scanlan, U.S. Marine Corps)

Ad 2: Abschrecken heißt, ich wirke so gefährlich, daß es sich ein Angreifer anders überlegt und von mir abläßt. Ad 3: Entwaffnen heißt, den Angreifer zu überwältigen, beziehungsweise zu töten.

Zerstörer
Wir sehen inzwischen erste Berichte von zerstörten ukrainischen Städten. Es hieß ja längst: „Ich befürchte, sie werden nun die Städte zerstören“. Das handelt vor allem von Bombenattacken, bei denen, so scheint es, auch geächtete Waffen wie Cluster Bombs eingesetzt werden: Convention on Cluster Munitions (CCM)

Nun lese ich von Waffenlieferungen an die Ukraine. Zum Beispiel Deutschland: 1.000 Panzerabwehrwaffen und die 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ Stinger (Süddeutsche). Oder: „The US has delivered hundreds of Stinger anti-aircraft missiles to Ukraine for the first time over the last few days, including over 200 on Monday, according to a US official and a congressional source briefed on the matter.“ (CNN)

Gut so! Warum ist das wichtig? In der NZZ hieß es einmal über die Stinger-Raketen, sie seien „Gefährlich, billig und in rauen Mengen“ verfügbar. Das meint relativ preiswerte MANPADS, also „Man-portable air defence systems“ wie die FIM-92 Stinger. Diese Waffen werden einfach geschultert und brauchen für ihren Einsatz keine nennenswerte Infrastruktur.



Sukhoi Su-35S „Flanker“ (Foto: Dmitriy Pichugin, Gnu Lizenz 1.2)

Üblicherweise bestehen sie aus drei Komponenten, aus: „1. der Rakete, 2. der Abschußvorrichtung und 3. der Batterie. Sie wiegen etwa 13 bis 25 Kilogramm und haben eine Reichweite von etwa vier bis sechs Kilometern (US Department of State 2005: 1-4)“.

Kosten/Nutzen-Rechnung
Das erfuhr ich von Simone Wisotzki. Sie notierte vor Jahren in einem Report über „Bedrohungspotenziale und Proliferationswege“, was diese Raketen - im Kontrast zum Preis von zeitgemäßen Mehrzweckjagdflugzeugen - kosten.

„Laut Angaben aus Jane’s Intelligence Review kosten US-Stinger-Raketen auf dem Schwarzmarkt zwischen 80.000 und 100.000 US Dollar. Russische SA-7 MANPADS werden dagegen für einen Preis zwischen 5.000 und 30.000 US Dollar gehandelt.“

Zum Vergleich ein paar Zahlen von Rußlands Einkaufszettel. Wie erwähnt, Genre: Mehrzweckjagdflugzeuge. Die brandneue Suchoi Su-57 „Felon“ kostet rund 40 Millionen Dollar pro Stück. So auch diverse Varianten der „Flanker“. Diese Flugzeuge kosten laut airpower.at „im Bereich von USD 30 bis 40 Mio. fly away, bzw. etwa USD 50 Mio. inkl. Logistikanteil und Training.“



USAF B-1 Bomber wirft Streubomben ab

Bei aerocorner.com ist die Mikoyan MIG 35 „Fulcrum“ so notiert: „Current Price $ 30 million U.S.“. Die Mikoyan MIG 29K „Fulcrum“ kostet immerhin noch „Current Price $ 27 million - $ 29 million U.S. Estimated“. Die projektierte Mikoyan MIG 39 (1.44 / MFI) ist mit „$ 70 million U.S.“ veranschlagt.

Ukrainer können also mit Geschick und etwas Glück durch vergleichsweise preiswerte Waffen gelegentlich sehr teure Waffensysteme vom Himmel holen und den Russen einen unsicheren Luftraum einrichten. Das betrifft nicht nur Angriffe. Eine Großarmee hat enormen Bedarf an Nachschub, um nicht liegenzubleiben. Wer demnach den Himmel für Transportflugzeuge schwer zugänglich macht, grätscht in das Kräftespiel auf dem Boden hinein.

Treibstoff, Lebensmittel, Munition, da läßt sich auch am Boden viel machen. Was ein Main Battle Tank an Sprit frißt, kann man nicht allemal an der nächsten Tankstelle zapfen. Daher müssen diese Panzer per Bahn und Transporter Richtung Einsatzgebiet geschafft werden, wie auch der nötige Treibstoff.

Ich sehe darin einen Teil wesentlicher Verteidigungsmaßnahmen der angegriffenen Ukraine. Dazu kommen allerhand Aspekte von zivilem Widerstand. Und ich nehme an, Ukrainer werden auch Partisanen-Taktiken nutzen. Aber ohne adäquate Waffen läßt sich eine High Tech-Armee wohl nicht stoppen.

+) Mai acht: Areale


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