20. Februar 2022

Stahl feilen, Papier fressen

Ich mache diese Erfahrung derzeit in der Werkstatt von Meister Franz Lukas. Da ich nun die groben Feilen hinter mir gelassen hab und feine Flächen zustandebringen soll, ändert sich mein Zeitgefühl. In kurzen, möglichst genauen Bewegungen müssen unendlich kleine Späne vom Stahl gehoben werden. In sehr, sehr vielen solchen Feilenschüben.

Das Unerbittliche daran: ich muß mich dieser Langsamkeit fügen. Jeder achtlose Augenblick läßt das Werkzeug eine Schramme in die Oberfläche graben, was den nachfolgenden Arbeitsaufwand sprunghaft erhöht. Das Foto hat Richard Mayr gemacht, mit dem ich eben das Finish am Buch Wegmarken abarbeite.



Krusche in der Werkstatt (Foto: Richard Mayr)

Mit ihm und mit unserem Art Director Jörg Klauber, dem es obliegt, die visuelle Erscheinung des Buches zu gestalten, kommt das alles nun auf den Punkt. Außerdem ist Klauber mein redaktioneller Zuchtmeister und wir Zausel absolvieren da gerade einen kuriosen Pas de deux.

Der Weg
Nach den Vorarbeiten kam es im August 2018 zu Vereinbarungen, die nun dazu führen, daß ich spätestens am 11. März 2022 das fertige Buch in Händen halten werde. Heute aber, dieses Wochenende steht noch „Tango for two“ auf dem Programm. Ich in Gleisdorf, Klauber in St. Ruprecht an der Raab. Quasi ein Tele-Wochenende zu zweit.

Hier wäre noch ein Klappentext fällig, da war eine falsche Textdatei angehängt. Hab ich übern Tuttner-Bildstock im Kötschmanngraben überhaupt schon geschrieben? (Ja, hab ich!) Ich kann diesen letzten Arbeitsabschnitt, der in die Druckvorstufe führt, überhaupt nicht leiden. Aber mit diesem Wochenende endet meine Bindung an dieses Geschehen.



Probedrucke: "Es kommt dann noch etwas heller!"

Zugleich ist das die Phase der Magie. Das Publikum kennt diesen Aspekt solcher Werke nicht. Diese Transition. Ein Bogen der Eindrücke. Knapp gefaßt: Erst stehe ich bei der Recherche vor Objekten. Später bin ich mit Fotograf Richard Mayr dort und erleb was ganz anderes. Dann sitze ich mit ihm am Bildschirm, um seine bearbeitete Fotoauswahl durchzusehen. Da hat sich auf visueller Ebene schon enorm viel getan.

Dann geht Klauber in die Buchgestaltung und wir sehen Entwürfe. Wieder eine andere Erfahrung. Schließlich, demnächst, das fertige Buch. Darin ist nicht einfach abgebildet, was ich bei der ersten Recherche vorgefunden hab. Es ist ein Werk. Dieses Werk enthält das Substrat einer aufwendigen Arbeit, die ich 2016 begonnen hab, die 2018 zu den erwähnten Vereinbarungen führte, die uns 2022 nun als Buch vorliegen wird.



Unser Art Director Jör Klauber

Nicht zu vergessen, sowas ist Teamwork. Da müssen sehr unterschiedliche Kompetenzen in Wechselwirkung kommen können. Das mag ich sehr, auch wenn mir das Finish bei jedem Projekt auf die Nerven geht. Denn in Kürze ist am Vorliegenden nichts mehr zu ändern… Und die Langsamkeit. Dieses prozeßhafte Werden. Das ist ein zentraler Aspekt meiner Auffassung von Wissens- und Kulturarbeit.

Postskriptum
Zugegeben, ich bin unrettbar ein Büchernarr und Papierfresser. Ein Neandertaler aus der Gutenberggalaxis.

+) Wegmarken


[Kalender] [Reset]