4. Februar 2022

Redlichkeit

All die Jahre hat sich etwas bei meiner publizistischen Arbeit stets neu bestätigt. Die meisten Menschen haben ein ganz gutes Gefühl dafür, ob man sie als Ressource benutzt, um eine Story zu bekommen, oder ob man sie interessant findet und mit diesem Interesse etwas von ihnen wissen will.

Beide Wege sind legitim und in der Medienwelt verbreitet. Man wird kaum schlauer, wenn man da moralisch argumentiert. Unterm Strich haben beide Teile in einem Dialog die Möglichkeit, diese Situation mitzugestalten. Wenn ich das Gefühl bekomme, daß ich jemandem vertrauen kann, werde ich eher oder weiter aufmachen, jemanden nah an mich heranlassen, ein günstiges Gesprächsklima zulassen.


Wenn ich merke, daß ich als Ressource benutzt werde, neige ich selbst zum Abbruch des Gesprächs. Andere versuchen das für sich zu nutzen. Sie kennen gewiß den neuen Klassiker. Ein Kanzler oder eine Ministerin wird von der Moderatorin etwas sehr Konkretes gefragt und erwidert: „Danke für die Frage. Ich werde gleich darauf zurückkommen. Aber lassen Sie mich davor erst einmal sagen, daß…“

Wer mir so kommt, bewegt mich zum sofortigen Abschalten, denn diese Kanaillen-Pose brauche ich nicht. Da erfahre ich nichts Wissenswertes. Wie oft haben wir es in den letzten Jahren erlebt, daß in Rhetorik und Public Relations geschultes Personal der Politik die Medien als Propagandamaschinen zu nutzen versucht.

Wie viele Spitzenkräfte der Politik haben wir erlebt, die einer klaren Frage ausweichen und stattdessen ihre Statements ins Blatt oder in die Sendezeit wuchten, so gut es nur geht. Natürlich ist das ein Betrug an der Demokratie. So hebelt man an der vierten Gewalt des Staates herum, von der wir uns Kontrolle der anderen drei Gewalten erwarten dürfen.


Legislative (gesetzgebend), Exekutive (ausführend) und Judikative (rechtsprechende) sind aus guten Gründen getrennt formiert. Die traditionelle Publizistik sollte eigentlich ebenfalls kritische Distanz üben. Wo politische Partikularinteressen und das Ringen um Quote sich arrangieren, kommt teilweise das heraus, was dann als „Lügenpresse“ beschimpft wird.

Das färbt auf die gesamten Metiers ab, beschädigt den öffentlichen Diskurs einer Demokratie ebenso wie deren Politik. Das unterspült die Fundamente der Republik. Wenn ich nun wiederholt gefragt werde „Aber was kann ich denn tun?“, lautet die einfach Antwort: Beginn dort, wo Du lebst, von der Kräften der Kommunalpolitik und von den Medienleuten der Regionalpresse Redlichkeit zu fordern.

Was meint Redlichkeit? Daß ich annehmen darf, zwischen dem Denken, dem Reden und dem Handeln einer Person besteht wenigstens ein Fließgleichgewicht und ich werde nicht mit verdeckten Intentionen hintergangen. Wenn das in den Kommunen wieder verstärkt der Fall ist, werden es Funktionstragende in höheren Gremien nicht ignorieren können.

+) Kontext Covid-19


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