22. Jänner 2022
Standpauke des Monats
Intrada:
Seit rund 30 Jahren gehe ich an diversen Bahnstrecken im
Raum Gleisdorf entlang, um Blicke und Momenten zu haben, die
auf üblichem Terrain nicht möglich sind. Das meint auch, es
ist nicht bloß sehr gefährlich, sich in Gleisnähe
aufzuhalten, es ist verboten. Daher ist dort ein sehr
mäßiges Aufkommen von Menschen. (Bahnbedienstete
ausgenommen, bin ich da draußen alle zehn Jahre einer Person
begegnet.)
Erster Akt: Ich hatte
mich mit Malerin Monika Lafer verabredet, um ein paar Dinge
zu besprechen und einen Winkel Gleisdorfs aufzusuchen, der
sich gerade völlig im Umbruch befindet. Gernauer, das sind
zwei Areale auf etwa gleicher Höhe am westlichen Stadtrand
Gleisdorfs. (Ich habe Fotos von der Zuständen davor gemacht
und halte die Veränderungen fest.)
Interlude: Lafer betreut den Einser-Slot im
Gleisdorfer „Zeit.Raum“, ich den Zweier-Slot. Sie befaßt
sich in ihrer „Sicherungskopie“
ebenfalls mit dem, was in Umbrüchen verschwindet. Ich bin
mit „Die
Ehre des Handwerks“ beschäftigt. (In jedem Slot gibt es
alle vier Wochen eine neue Episode.)
Also hab ich nun
eben nach so einem Lafer-kompatiblen Umbruch betrachtet und
sie das Stahlschneiden, das ich derzeit übe. Ich lerne sowas
grade erst in der Praxis kennen; siehe: „Das
Sägen und Feilen“ (Ein stahlhartes Postskriptum)! Und
Lafer brachte ein interessantes Objekt mit.
Karl Emilio Pircher von „Walking
Chair“ hatte ihr einen Stahlwürfel geschenkt, der auf
beunruhigend komplexe Art geschnitten und gefeilt wurde. Mir
ist inzwischen sehr klar, wovon so ein Werkstück handelt,
welche Handgriffe dazu nötig waren.
Reminiszenz: Auf diesem Terrain gibt es eine
wunderbar schmucklose, unerbittlich klar geformte
Stahlbrücke. Da fährt die Eisenbahn drüber. Ich ging mit
Lafer auf dieses Bauwerk, das einen Teil der Bahnstrecke
ausmacht.
Im Jahr 2006 hatte ich den damaligen Landeskulturreferenten
Kurt Flecker bewegen können, mit mir auf eben diese Brücke
zu kommen. Sein Berater Herbert Nichols-Schweiger notierte
auf einer der Stahlplatten: „Ich zweifle an
allem“. Siehe dazu die
Notiz vom 9.
September 2020!
Zweiter Akt und Finale:
Wir standen noch auf der Brücke, als eine Zugsgarnitur
herankam. Ich hatte Lafer vorhin noch erzählt, dieser
langgezogene Streckenabschnitt sei ein Lehrstück, das einem
klar mache: meist hört man den Zug nicht kommen und er ist
verdammt schnell da.
Genauso geschah es nun. Der Zugsführer schüttelte uns mit
dem Hornklang der Lokomotive durch. Dann das Unerwartete. Er
hielt die Garnitur mitten auf der Strecke, winkte mich zu
sich und brüllte mich an, daß mir die Ohren wackelten. Nein,
ich beschwere mich nicht und er dufte seine Wut an mir
auslassen.
Ich hielt still, denn ich verstehe schon,
daß Zugsführer für sich ein erhöhtes Risiko sehen, wenn
Unbefugte am Bahndamm herumgeistern. Eben weil das sehr
gefährlich ist. Aber wie hätte ich sonst die Fotos kriegen
sollen, die ich haben wollte? Eben! (Ein harter
Interessenskonflikt, der mir einen sensationellen Anschiß
eingebracht hat.)
Für mich endete die Session des Tages dann noch im Studio
von Fotograf Richard Mayr, mit dem ich an einem
Buch arbeite. Sieht so aus, als würde er sich mit derlei
Reglements auch nicht besonders aufhalten, wenn es um ein
wichtiges Motiv geht. Naja, morgen ist Sonntag und ich hab
mit Mayr noch eine Ausfahrt vor mir…
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