17. Jänner 2022

Montags-Mix

Wenn ich über einige Tage in dichte Gesprächen versunken war, muß ich danach in die Stille. Da mag sich so mancher Staub senken und was hängenblieb, will geordnet und gedeutet werden. Natürlich ist das ein antiquierter Modus. Er kommt aus einer alten Konvention. Das absichtslose Schauen.

Früher sagte man dazu Muße. Es gab vermutlich immer Leute, die das vorzugsweise als Müßiggang denunziert haben und den Leute auszutreiben versuchten. Bei dem derzeit boomenden Gezänk rund um Corona-Maßnahmen und Regierungs-Tänzchen ist erstens Stille eine Rarität und zweitens ermuntert diese Dynamik in vielen Bereichen zu einem Tempo, das mich rätseln läßt, wie einem da gute Entscheidungen gelingen sollen.


Klappt ja auch dauernd nicht, wenn ich mir anhöre, welche Maßnahmen vorgeschlagen werden und wie es um deren Umsetzung bestellt ist. Heute hatte ich so Momente, da schien mir alle Contenance in den Keller zu fahren. Ich dachte mir: Auch gut! Was schert mich dieses Festival der Blödsinne?

Niedere Reizschwellen, Angriffslust, falsche Entscheidungen, schlechte Umsetzungen, wenig Lichtblick, und immer noch (oder mehr denn je) gehen sich Leute gegenseitig auf den Zeiger, schimpfen, pöbeln… Ja, leck mich doch am Arsch! Ich bin jetzt seit über 40 Jahren Teil des steirischen Kulturvölkchens, was bedeutet, von meinem vertrauten Lebensstandard kann so leicht nichts Essentielles mehr abgeschnitten werden. Da müßten schon Bombe fallen oder so.

Wenn also dieses ganze Gezänk und so viel Unwillen, auch im Dissens zu kooperieren, wenn all das anhalten muß, worauf wir unsere Bedingungen um ein paar Quantensprünge verschlechtern, beeindruckt mich das überhaupt nicht. Der Volksmund sagt: „Wer nicht will, der hat schon!“


Ich bestaune die Flut von Zynismus, die auch von scheinbar recht liebenswürdig wirkenden Menschen mitproduziert wird. Okay. Dann muß das so sein und ich muß meinen Abstand noch vergrößern, verdichten, denn falls aus diesen Umtrieben etwas Nützliches entstünde, wäre ich sehr überrascht. Soll sich schlagen, wer Pack sein will, ich schau mir das nicht einmal an.

Das Skurrile: wir sind ein Volk der Konsulenten und Coaches, aber annähernd niemand will einen guten Rat bekommen. Lustig! Das ginge - etwas polemisch - ungefähr so: „Die schlechte Nachricht ist, daß sie die gute Nachricht nicht hören wollen.“ (Haben Sie eine gute Nachricht auf Lager? Ein Heilsversprechen? Eine Botschaft für alle, die guten Willens sind?)

Ach, wie mochte ich seinerzeit diesen Moment, als ich ein extra betrübtes Gesicht machte und zu meinem längst erwachsenen Sohn mit dräuendem Tonfall sagte: „Jetzt kennen wir uns schon so viele Jahre und du hast mich noch nie um Rat gefragt.“

Er ist mir vor Lachen fast vom Sessel gefallen und ich ahnte, daß unsere Beziehung in Ordnung ist. Er hat mich natürlich auch seither nie um Rat gefragt. Ich weiß inzwischen nicht einmal mehr, ob sich die Geschichte tatsächlich so zugetragen hat.


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"manchmal bleibe ich mir selbst rätselhaft"
(Die selbstreferenzielle Autosphinx)