16. Jänner 2022

Sonntag

Hartes Licht, mildes Wetter… Ich war nun sehr tief in einigen eher unerfreulichen Themen und merke, wie einem das – wenig überraschend – die Laune färbt. Von wegen „gespaltene Gesellschaft“! Als wären da zwei Fraktionen, die sich uneins sind. Was ich erlebe, wo ich die Verständigung unter einigen widersprüchlichen Geistern aufrecht erhalten möchte, ist ein völlig fragmentiertes Gewusel, in dem es Partikularinteressen hagelt.


Und dieses Operettenhafte. Wenig Angebote, viele Bestellungen. Verhalte dich so und so und so, mach dies, mach das… Okay! Ich muß mich da erst noch zurechtrütteln. Einwände, Einschränkungen, Befürchtungen, als wäre die Res publica doch eine Res secret und wir sollten konspirieren, statt offene und öffentliche Diskurse führen.

Meine gestrige, etwas emotionale Facebook-Notiz lautete: „was grade boomt: ‚ich würde eh gerne auch öffentlich was sagen, aber…‘ ja, danke, das nützt niemandem. sag was oder: yallah goodbye! runter vom trittbrett!“

Wurde ich denn nach Belarus, nach Myanmar oder gar nach China verschoben und hab es nicht gemerkt? Nein, ich bin in einen soziokulturellen Kindergarten gerutscht. Diese tausend Bedenken, das Beschimpfen anderer Leute, das sich Verbergen, diese ganzen Heckenschützenmanieren in einer der stabilsten Demokratien der Welt, die neuerdings eine „Diktatur“ sein soll, aber in ihren Fundamenten grade harte Schläge abbekommt.


Okay! Time out! Und kurz ein Themenwechsel. Konstrukteur Markus Rudolf, derzeit als Projektleiter auf Reisen, hat mir nun einige Zeitlang Fotos, Videos und kleine Notizen von der Dakar 2022 geschickt. Bei dieser renommierten Wüstenrallye war von einem LKW mit Wasserstoff-Anlage zu berichten, die a) mächtige Elektromotoren antreibt und b) bloß Wasser raushaut, wo früher der Auspuff war.

Dazu an einer Stelle die Anmerkung: „Nasser Al-Attiyah und Dania Akeel trinken arabischen Kaffee, gebrüht aus dem heissen Wasser aus der Brennstoffzelle; danach kann man sich die Hände reinigen. Ein Kilo Wasserstoff ergibt neun Liter Wasser, im Betrieb 100 bis 200 Liter pro Stunde.“ (Nasser Al-Attiyah wurde gerade zum vierten Mal Gesamtsieger der Dakar.)

Oder! Gestern ein weiterer Gang über den Friedhof, denn da sehe ich mich regelmäßig um, welche Arten Statements zu diesem Thema abgegeben werden. Wie sehen die Gräber aus? Welche Details werden betont? Mit welchen Artefakten kommunizieren die Leute ihre Emotionen.

Diesmal hat mich Barbara Lukas begleitet, jene Unternehmerin, die Monika Lafer und mir den Raum für das Projekt „Zeit.Raum“ zur Verfügung stellt. Wir haben anschließend ihren Vater besucht, der ein exzellenter Handwerker ist, vormals Büchsenmacher, denn mein Thema im „Zeit.Raum“ lautet ja „Die Ehre des Handwerks“.

Es gibt ein Motiv, das sich durch verschiedene Berufe zieht. Das Feilen von Stahl. Man sägt ein Stück Stahl von einer Stange und muß von Hand, nur mit einer Feile, daraus einen präzisen Würfel formen. Das ist für die Produktion schon Jahrzehnte völlig unnötig. Es ist eine Lektion.

Niemand, mit dem ich je darüber gesprochen hab, fand diese Lektion erfreulich. Es schult die Hände, es lehrt Genauigkeit und… Respekt vor diesem Werkstoff, so der Tenor. Ich bekam vorzüglichen Wein eingeschenkt. Wir gelangten an einen Punkt, wo Franz Lukas lachte und meinte, ich rede bloß über die Ehre des Handwerks und schreibe darüber, aber ich sollte doch einmal einen Würfel feilen.

Ja, ähem, räusper, lieber nicht, danke, zumal ich als Handwerker noch nie was getaugt hab. Also, nein, ööh, doch, ich mach das. Nächste Woche beginnen wir.

Zu den genannten Themen
+) Dakar 2022: Sand und Sterne
+) Diskurs: Demokratie
+) Zeit.Raum


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