30. Dezember 2021

Schönwetter-Demokraten

Es würde mir gefallen, wenn ich mich nun einige Zeit ausschließlich künstlerischen Aufgaben widmen könnte. Aber die Welt drängt sich eben mit allerhand skurrilen Belangen in meine Stube. Die erheblichen Defizite an kulturpolitischem Diskurs haben in der Steiermark schon einige merkwürdige Scharten in den Lauf der Dinge geschlagen. Ich werde noch separat ausführen, was das allein im vergangenen halben Jahr an Merkwürdigkeiten entstehen ließ.

Nun zusätzlich ein hochgehender Obskurantismus im Umgang mit der Pandemie, dabei einige Gleisdorfer Besonderheiten. Ich rezensiere diese Vorgänge derzeit, weil sich etwas manifestiert hat, das ich DGDG nenne, „Daggadagga“ gesprochen, damit man keinen Knoten in die Zunge bekommt. Singular: „Das Gleisdorfer Demokratie-Genie“, als Gruppenphänomen: „Die Gleisdorfer Demokratie-Gang“.


Lebensweisheit für die billigstens Plätze.

Dieses Phänomen hat sich gewissermaßen auf die Trittbretter einer Unmutsbewegung gewuchtet. Was an völlig berechtigtem Ärger über Fehlleistungen seitens Politik und Verwaltung da ist, könnte man unaufgeregt bearbeiten. Für Kritik gab es bisher reichlich gute Gründe.

Ich hab einiges davon in meiner „Chronique scandaleuse“ beschrieben, bis ich müde wurde, diese Kette an unethischem Verhalten und teils gravierenden Malversationen weiter zu verfolgen. Siehe: [Link]

Diese Problemlage wird nun von kuriosen Leuten genutzt, unter denen etliche, die erkennbar bemüht sind, aus der Sache Kapital zu schlagen, ohne dafür an den Problemen zu arbeiten. Ob Prosecco-Fraktion, ob Kickl-Hupen, ob Vortänzer merkwürdiger Privatmythologien, ich sehe inzwischen sogar eindeutig neofaschistische Positionen, nach den von Umberto Eco erarbeiteten Faschismus-Merkmalen identifiziert: [Link]

Überdies Ansätze zu einem ganz banalen Hooligan-Verhalten und dazu eine Art parapolitische Praxis a la Trump: „Flood the zone with shit“. Kontinuierlich betreute Desinformationskampagnen, die teils aus ziemlich dubiosen Quellen schöpfen.



Kein Traumjob, sondern ein Zugeständnis an das Gemeinwesen.

Das offene oder indirekte Unterstellen, Österreich sei zur „Diktatur“ geworden, die Presse sei eine „Lügenpresse“, die Wissenschaft durchgängig korrupt, all das zählt zu den Beiträgen, konsequent auf die Fundamente der Republik einzuschlagen. Ich verstehe zwar Einwände von Impfgegnern und deren Aversion gegen die Impfung, aber ich teile diese Einwände nicht.

In einem Punkt will ich selbst mit der Impfgegnerschaft Konsens gesichert wissen: Es kann keinen Staat im Staat geben, es kann sich niemand eigene Gesetze machen, das wäre der Weg zum Faustrecht. Aber diesen Konsens haben wir offenbar nicht.

Und die Verpflichtungen? Um ein Beispiel zu nennen: es war nicht mein Traum, Soldat zu werden. Ich hab das als ein Zugeständnis an das Gemeinwesen akzeptiert, erfüllt, wissend, daß dieser Status „Soldat“ im Frieden wie im Konfliktfall gleichermaßen erstens gesundheitliche Risiken birgt und zweitens das Leben kosten kann.

So eine Verpflichtung mit Faschismus zu assoziieren ist Mumpitz. Aber ich verstehe, daß manche Menschen lieber „Schönwetter-Demokraten“ sind, als die Vorteile dieses wohlhabenden Landes genießen, Teile der Rechnung dafür dann aber lieber andere zahlen lassen. Ja, verständlich, aber nicht akzeptabel. Lassen Sie uns also ruhig Dissens haben. Dissens ist hilfreich, um die Positionen zu verdeutlichen.


+) Mein Coronismus-Glossarium
+) Heimat (Übersicht)

Postskriptum
ORF, Zeit im Bild am 29.12.2021: „Schutz für Gesundheitspersonal: Die Aggression einiger Demonstrierenden gegen die Corona-Maßnahmen richtet sich zunehmend gegen Spitäler, Ärzt:innen und Pflegepersonal. Spitäler sollen jetzt zunehmend von der Polizei geschützt werden…“ (So viel zum Slogan „Friede! Freiheit! Keine Diktatur!“)


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