19. Dezember 2021

Die Jausenpartie

Ich fasse kurz zusammen: Eine Prosecco-Runde aus der Wellness-Sektion, ein Pizzabäcker, unterstützt von einer maskierten Neofaschistin, sekundiert von redseligen Leuten, die hauptsächlich Herbert Kickl-Zitate raushauen, erschüttern Gleisdorf. Und das war’s jetzt?

Gut, Biobauern hat man auch gehört und allerhand Leute gesehen, die kleine Kinder ins Getümmel zerren, damit auch der letzte Depp verstehen möge: Hier geht es um unsere Kindlein, die ins Universum hinaus- und zurückstrahlen werden! (Schlechte Lyrik!)


Mich erinnert das eher an die Hamas, die bei Auftritten kleine Kinder in Kampfanzüge steckt, ihnen grüne Stirnbänder verpaßt und handliche Kalaschnikows aus Plastik umhängt. (Was soll denn eine Bewegung taugen, die kleine Kinder vor sich herschiebt?)

Die wenigen Inhalte, welche sich mit Mühe und mit grobem Werkzeug freilegen lassen, sind strikt voriges Jahrhundert. Auf der Höhe der Zeit tut sich da gar nichts. Hallo? Vierte Industrielle Revolution? Big Data? Klima- und Flüchtlingskrisen? Gefährdete Nahrungssouveränität? Das alles erklärt ihr mir mit Miniwinzlings-Chips, die uns angeblich verimpft werden?

Was für eine intellektuelle Leistung! Und vor allem: Du kannst dieses Programm so, wie es ist, einfach nehmen und in allen Teilen Deutschlands abspielen, in der Schweiz, mit etwas Übersetzungsarbeit auch in wenigstens zehn anderen Ländern Europas. Völlig egal! Die Grundausstattung an Parolen ist beliebig transponierbar. (Copy-Paste-Politik)

Wäre da nicht der Lautsprecherwagen auf dem Hauptplatz, die Sache hätte Downtown Gleisdorf kaum die Hälfte der Reichweite. Weshalb? Trillerpfeifen lassen keine präzise Aussage zu und was an Sprechchören zustande kam, reicht womöglich nur, die Stimmung der Ömpörten aufzuheizen, denn derzeit ist es nach Sonnenuntergang arschkalt.


Mich wundert ja, daß erregte Kleinbürgerlichkeit sich per Lautsprecheranlage so aufplustern darf. Ich würde kaum mehr als Megaphone zulassen und strikt verlangen: Gewinnt Euer Publikum über mitreißende Inhalte!

In meinem Lager ist es Teenagern noch erlaubt, einfach herumzumotzen und alles Scheiße zu finden, ohne auch nur eine einzige konkrete Idee für ein neues, nächstes, anderes Handlungskonzept vorzulegen. Erwachsenen ist das in der „Deutlichen Demokratischen Republik Krusche“ (DDRK) nicht erlaubt, denn wer sollte sie beim Händchen nehmen, ihnen den Hintern wischen und die Probleme lösen? Dafür sind Erwachsene in der DDRK selbst zuständig.

Plärren ist ganz okay. Aber dann: selber Händchen halten, Hintern wischen und die Probleme lösen! Nun? Ich warte! Während also all das seit Wochen so dahintümpelt und dahinscheppert, vernehme ich aus dem Rathaus und dessen Umgebung eigentlich nur Larmoyanz und Unmut. Kein Auftritt exponierter Persönlichkeiten, die das Wort erheben, um etwas Bemerkenswertes zu sagen.

Dabei ist diese Wellness-Prosecco-Jausenpartie intellektuell wirklich keine Herausforderung. Und da wir neuerdings – so höre ich – eine Diktatur haben, na, wenigstens eine pluralistische Diktatur, in der es um unsere Heimat geht, deponiere ich hier drei Lesetips. Damit könnte inhaltlich was in Schwung kommen.

+) Bruckmüllers "Sozialgeschichte Österreichs": unverzichtbar! [Meine Rezension]
+) Haslinges „Politik der Gefühle“ scheint mir aktueller denn je und markiert mit ihrem Erscheingsjahr 1987 jenes Zeitfenster, in dem die Neue Rechte quer durch Europa nicht mehr übersehen werden konnte.
+) Umberto Ecos „Der ewige Faschismus“ bietet nützliche Kriterien, um aktuelle Vorgänge zu beurteilen. (Eco reimt sich auf Prosecco!) [Die Merkmale]

+) Heimat (Übersicht)


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